Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
was sie anhatte, war abgetragen und hoffnungslos altmodisch. Ashley dachte daran, wie er seiner Frau hier die Bronte gekauft hatte, und fragte sich, ob jene einsame, unglückliche Schriftstellerin und ihre gleichfalls schreibende Schwester vielleicht so ausgesehen hatten wie dieses Mädchen. Es war ein Jammer. Mit ein bißchen Sorgfalt und Geschick könnte sie ganz reizvoll sein.
«Ein Marlowe?» fragte der Mann von «Fünf». «Die Erstausgabe, sagten Sie?»
«Ja, Sir, aus dem Nachlaß des Grafen von Crundale. Wie Sie sicher wissen, wurden Marlowes Stücke erst vierzig Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.» Sie fuhr fort und bewies Kenntnisse, die man ihr nicht zugetraut hätte. Ashley lauschte interessiert. Diese Maus verstand mehr von Büchern als so mancher Oxford-Professor.
«Wie finden Sie bloß heute noch solche Sachen?» fragte er, als sie ihren Vortrag beendet hatte.
Sie lächelte. «Mr. Dennis hat einen guten Riecher. Er reist oft und arbeitet viel mit Kollegen und Nachlaßverwaltern zusammen. Heute ist er zum Beispiel in Irland. Man würde nicht glauben, wie viele Bücher er drüben auftreibt. Diese schrecklichen Menschen haben die bemerkenswertesten Sammlungen.» Beatrix hatte etwas gegen die Iren.
«In der Tat», bemerkte David Ashley. Er zeigte keinerlei Reaktion auf diese kleine Neuigkeit, aber irgendwo in seinem Hinterstübchen klingelte es. «Na ja, aber eins muß man unseren Freunden auf der Insel lassen. Sie haben uns immerhin ein paar gute Schriftsteller geschenkt. Und ausgezeichneten Whisky.»
«Und Attentäter», ergänzte Beatrix. «Ich würde da nicht gern hin.»
«Wie oft fliegt Dennis rüber?»
«Mindestens einmal im Monat.»
«Hm, was den Marlowe betrifft, den Sie haben - könnte ich ihn mal sehen?» fragte Ashley mit einer Begeisterung, die nur teilweise gespielt war.
«Selbstverständlich.» Das Mädchen nahm den Band von einem Regal und klappte ihn sehr behutsam auf. «Der Einband ist zwar nicht gut erhalten, aber wie Sie sehen, sind die Seiten in erstklassigem Zustand.»
Ashley beugte sich über das Buch und überflog ein paar Verse. «In der Tat. Was soll es kosten?»
«Mr. Dennis hat noch keinen Preis festgesetzt. Ich glaube aber, jemand hat sich schon vormerken lassen.»
«Wissen Sie, wer?»
«Nein, Sir, ich weiß es nicht, aber selbst wenn ich es wüßte, könnte ich Ihnen den Namen nicht nennen. Wir behandeln solche Dinge streng vertraulich», sagte Beatrix spitz.
«Sie haben recht. Ich hätte daran denken sollen», stimmte Ashley zu. «Wann wird Mr. Cooley wieder zurück sein? Ich würde gern mit ihm selbst darüber reden.»
«Morgen nachmittag.»
«Werden Sie dann auch da sein?» fragte Ashley mit einem bestrickenden Lächeln.
«Nein, Sir, ich habe noch eine andere Stelle.»
«Zu schade. Hm ... Vielen Dank, daß Sie mir den Marlowe gezeigt haben.» Ashley wandte sich zur Tür.
«Es war mir ein Vergnügen, Sir.»
Der Sicherheitsbeamte verließ das Antiquariat und schritt nach rechts. Er wartete auf eine Lücke im Nachmittagsverkehr und überquerte die Straße. Er beschloß, kein Taxi zu nehmen, sondern zu Fuß zum Yard zu gehen, und schritt die St. James Street hinunter, bog nach links, um in östlicher Richtung um den Palast zu gehen, und nahm dann die Marlborough Road zur Mall.
An dieser Stelle ist es passiert, dachte er. Hier ist der Fluchtwagen abgebogen und entkommen. Der Hinterhalt war nur hundert Meter von hier entfernt. Er stand da, schaute sich einige Sekunden um und dachte an den Anschlag zurück.
Sicherheitsbeamte ähneln sich überall auf der Welt. Sie glauben nicht an zufällige Zusammentreffen, obgleich sie an unglückliche Zufälle glauben. Sie haben, was ihre Arbeit betrifft, nicht den geringsten Sinn für Humor. Denn sie wissen, daß Menschen, denen man sehr vertraut, die beste Möglichkeit haben, Verräter zu werden; ehe sie nämlich ihr Land verraten, müssen sie die Leute verraten, die ihnen vertrauen. Hinter all seinem Charme war Ashley ein Mann, der nichts so sehr haßte wie Verräter, der alle verdächtigte und niemandem traute.
Zehn Minuten später passierte er die Ausweiskontrolle des Yards und fuhr mit dem Lift zu James Owens' Büro hinauf.
«Dieser Cooley», sagte er.
«Cooley?» Owens wußte zuerst nicht, von wem er sprach. «Ach, der Buchhändler, bei dem Watkins gestern war. Sind Sie dort gewesen?»
«Ein hübscher kleiner Laden. Der Eigentümer ist heute in Irland», sagte Ashley knapp.
Commander Owens nickte
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