Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
als er den Absatz, den er gerade schrieb, beendet hatte. Als er es tat, sah er, daß seine Besucher Ihre Majestät, Königin des Vereinigten Königsreichs von Großbritannien und Nordirland, und ihr Gemahl, der Herzog von Edinburgh, waren. Sein erster zusammenhängender Gedanke war ein stummer Fluch, daß ihn niemand gewarnt hatte. Sein zweiter, daß er mit offenem Mund ausgesprochen komisch aussehen mußte.
«Guten Morgen, Doktor Ryan», sagte die Queen freundlich. «Wie geht es Ihnen?»
«Uh, danke, ganz gut, hm, Euer Majestät. Uh, nehmen Sie doch bitte Platz.» Er versuchte, sich in seinem Bett etwas aufzurichten, aber ein stechender Schmerz in der Schulter verhinderte es. Er half ihm, seine Gedanken zu konzentrieren, und erinnerte ihn daran, daß er seine Medizin bald nehmen mußte.
«Wir möchten Sie auf keinen Fall stören», sagte die Queen. Ryan merkte, daß sie auch nicht gleich wieder gehen wollten. Er brauchte eine Sekunde, um sich eine Antwort zurechtzulegen.
«Euer Majestät, einen Besuch von einem Staatsoberhaupt kann man kaum als Störung bezeichnen. Ich weiß die Ehre sehr zu schätzen.» Wilson beeilte sich, zwei Stühle näher zum Bett zu schieben, und verschwand aus dem Zimmer, als sie sich setzten.
Die Queen trug ein pfirsichfarbenes Kostüm von dezenter Eleganz, das ein kleines Vermögen gekostet haben mußte. Der Herzog hatte einen dunkelblauen Anzug an, bei dessen Anblick Ryan endlich begriff, warum seine Frau wollte, daß er hier in London ein paar Sachen kaufte.
«Herr Doktor Ryan», sagte sie förmlich, «wir möchten Ihnen in unserem Namen und im Namen unseres Volkes unsere aufrichtige Dankbarkeit für Ihr mutiges Verhalten von gestern ausdrücken. Wir stehen tief in Ihrer Schuld.»
Ryan nickte nur. Er fragte sich, wie schrecklich er eigentlich aussah. «Euer Majestät, ich für meinen Teil bin froh, daß ich helfen konnte - aber in Wahrheit habe ich gar nicht soviel getan. Jeder andere hätte das gleiche tun können. Ich war zufällig am nächsten dran.»
«Die Polizei ist anderer Meinung», bemerkte der Herzog. «Und nachdem ich mir den Tatort selbst angeschaut habe, bin ich geneigt, ihr zuzustimmen. Sie sind nun ein Held, ob es Ihnen gefällt oder nicht.» Jack erinnerte sich, daß dieser Mann einmal Berufsoffizier bei der Navy gewesen war - wahrscheinlich ein guter. Er sah so aus.
«Warum haben Sie es getan, Doktor Ryan?» fragte die Queen. Sie blickte ihn aufmerksam an.
Jack überlegte schnell. «Entschuldigen Sie, aber möchten Sie wissen, warum ich die Chance ergriff oder warum ausgerechnet ein Amerikaner irischer Abstammung die Chance ergreifen sollte?» Er war immer noch dabei, seine Gedanken zu ordnen, seine Erinnerungen an das Geschehen zu prüfen. Warum hast du es gemacht? Wirst du es je herausfinden? Er sah, daß er recht geraten hatte, und fuhr rasch fort.
«Euer Majestät, ich kann mich nicht über Ihr irisches Problem äußern. Ich bin amerikanischer Bürger, und mein Land hat genug eigene Probleme. Dort, wo ich lebe, sind wir ganz gut zurechtgekommen - mit ‹wir› meine ich die Amerikaner irischer Abstammung. Wir sind in allen akademischen Berufen und in der Wirtschaft und der Politik vertreten, aber der typische Irisch-Amerikaner ist immer noch Polizist oder Feuerwehrmann. Die Kavallerie, die den Westen gewann, war zu einem Drittel irisch, und viele von uns sind immer noch in Uniform - übrigens besonders bei der Marineinfanterie. Die Hälfte der Beamten des lokalen FBI-Büros wohnte in meinem Viertel. Sie hatten Namen wie Tully, Sullivan, O'Connor und Murphy. Mein Dad war sein halbes Leben lang Polizeibeamter, und die Priester und Nonnen, bei denen ich zur Schule ging, waren wahrscheinlich auch meist irischer Abstammung.
Verstehen Sie, worauf ich hinauswill, Euer Majestät? In Amerika sind wir die Ordnungskräfte, der Leim, der die Gesellschaft zusammenhält - aber das bedenkt niemand.
Die berühmtesten Iren der Welt sind heute die Wahnsinnigen, die Autos mit Bombenladungen abstellen, oder Mörder, die Menschen umbringen, um eine politische Aussage zu machen. Das gefällt mir nicht, und ich weiß, daß es meinem Dad auch nicht gefallen hätte. Er hat sein Leben damit verbracht, solche Verbrecher zu jagen und hinter Schloß und Riegel zu bringen, wohin sie gehören. Wir haben hart gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo wir sind - zu hart, um uns darüber zu freuen, daß man uns mit Terroristen assoziiert.» Jack lächelte. «Ich glaube, ich verstehe, wie
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