Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
Wir fanden, daß es in Anbetracht der Umstände das beste wäre, sie im Palast wohnen zu lassen - es war das mindeste, was wir tun konnten. Als wir vorhin gingen, schliefen ihre Frau und ihre Tochter noch fest, und wir haben angeordnet, sie auf keinen Fall zu stören.»
«Im ... Palast?»
«Ich versichere Ihnen, wir haben reichlich Platz für Gäste», entgegnete die Queen.
«Mein Gott!» murmelte Ryan.
«Sie haben Einwände?» fragte der Herzog.
«Meine Tochter, sie ...»
«Olivia?» sagte die Queen überrascht. «Sie ist ein entzückendes Kind. Als wir sie zuletzt gesehen haben, schlief sie wie ein Engel.»
«Sally» - Olivia war ein Friedensangebot an Cathys Familie gewesen, das nichts genützt hatte; es war der Name ihrer Großmutter - «ist vielleicht ein kleiner Engel, wenn sie schläft, aber wenn sie aufwacht, ist sie eher ein Hurrikan, und sie hat ein Talent dafür, Dinge zu zerbrechen. Besonders wertvolle Dinge.»
«Wie können Sie so reden!» Die Queen tat entrüstet. «Dieses niedliche kleine Mädchen! Die Polizei hat uns gesagt, sie hätte gestern abend in Scotland Yard jede Menge Herzen gebrochen. Ich fürchte, Sie übertreiben, Sir John.»
«Sehr wohl, Euer Majestät.» Mit einer Königin soll man nicht streiten.
3
Wilson hatte sich geirrt. Die Flucht hatte länger gedauert, als irgend jemand beim Yard gedacht hatte. Fast tausend Kilometer weiter landete eine Sabena-Maschine in Cork. Der Mann, der auf Sitz 23-D der Boeing 737 saß, sah unscheinbar aus; sein aschblondes Haar war weder besonders lang noch besonders kurz, und in seinem dezenten grauen, nun etwas zerknitterten Anzug sah er aus wie ein typischer Jungmanager, der nach einem anstrengenden Arbeitstag die letzte Maschine nach Hause genommen hat. Er war sicher ein erfahrener Flugreisender, denn er hatte als einziges Gepäck einen kleinen Koffer bei sich, der unter den Sitz vor ihm paßte. Falls ihn jemand gefragt hätte, was er mache, hätte er einen überzeugenden Vortrag über Fischgroßhandel halten können, mit dem Akzent des südwestlichen Irland. Er konnte den Akzent so leicht wechseln wie andere Männer ihr Hemd; eine nützliche Fertigkeit, weil die Nachrichtenteams der Fernsehgesellschaften den Slang seines heimatlichen Belfast weltbekannt gemacht hatten. Er las während des Flugs die Times , und das Gesprächsthema in seiner Sitzreihe wie im restlichen Flugzeug war die Story, die die ganze erste Seite einnahm.
«Wirklich, eine schreckliche Sache», stimmte er dem Herrn auf 23-E zu, einem Herrn aus Belgien, der mit Werkzeugmaschinen handelte und nicht wissen konnte, daß das Geschehene in mehr als einer Hinsicht schrecklich war.
Die monatelange Planung, die mühsam beschafften Informationen, die Proben vor der Nase der Briten, die drei Fluchtrouten, die Männer mit den Funkgeräten - alles umsonst, weil dieser verdammte Idiot dazwischenkommen mußte. Er betrachtete das Foto auf der ersten Seite.
Wer bist du, Yankee? fragte er sich. John Patrick Ryan, Historiker - ein verfluchter Wissenschaftler! Ehemaliger Marineinfanterist - wenn einer von denen seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen, muß es ja ein Unglück geben. John Patrick Ryan. Du bist ein verdammter Katholik, nicht wahr? Na ja, Johnny hat dir wenigstens einen Denkzettel verpaßt ... Ein Jammer, daß er selbst dran glauben mußte. Er war ein guter Mann, zuverlässig, liebte seine Schießeisen, glaubte an die Sache.
Endlich kam der Jet auf der Rollbahn zum Stehen. Die Stewardeß öffnete den Bugausgang, und die Passagiere standen auf und nahmen ihr Handgepäck und ihre anderen Sachen aus den Ablagefächern. Er zog seinen Kabinenkoffer unter dem Sitz vor ihm hervor und rückte mit den anderen langsam nach vorn. Er versuchte, es philosophisch zu sehen. Er hatte in seinen Jahren als «Spieler» erlebt, wie Operationen aus den lächerlichsten Gründen schiefgingen. Aber diese Mission war so wichtig. All die Planungen. Er schüttelte den Kopf, während er die Zeitung unter den Arm klemmte. Wir müssen es einfach noch mal versuchen, das ist alles. Wir können es uns leisten, geduldig zu sein. Ein Mißerfolg fällt bei dem großen Vorhaben nicht weiter ins Gewicht, sagte er sich. Diesmal hat die andere Seite eben Glück gehabt. Wir brauchen nur einmal Glück zu haben!
Und Sean? Es war ein Fehler, daß wir ihn mitmachen ließen. Er ist von Anfang an dabeigewesen, als wir die Operation planten. Sean weiß eine Menge über die Organisation. Er drängte diese
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