Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
schienen den Staub förmlich auszuatmen. Er liebte die Atmosphäre des Ladens, in den sich nur selten ein Tourist verirrte. Er lebte von relativ wenigen zahlungskräftigen Stammkunden aus der Londoner Gesellschaft. Mr. Dennis Cooley, so sein Name, flog oft in eine andere Stadt, um Raritäten aus der Bibliothek eines verstorbenen Gentleman zu ersteigern, und ließ das Geschäft dann in der Obhut einer jungen Dame, die ganz attraktiv gewesen wäre, wenn sie sich etwas mehr Mühe gegeben hätte. Beatrix hatte heute frei.
Mr. Cooley hatte einen antiken Schreibtisch, der hervorragend zum Ambiente des Ladens paßte, und sogar einen ungepolsterten hölzernen Drehstuhl, um den Kunden zu beweisen, daß bei ihm nichts, aber auch gar nichts modern war. Die Buchhaltung wurde handschriftlich geführt. Hier gab es keine elektronischen Rechner. Ein abgegriffenes Hauptbuch aus den dreißiger Jahren verzeichnete Tausende von Transaktionen, und der Katalog bestand aus schlichten Karteikarten in kleinen Holzkisten - ein Titelregister und ein Autorenregister. Geschrieben wurde mit einem Füllhalter mit goldener Feder. Das einzige, was im Trend lag, war das unübersehbare Bitte-nicht-rauchen-Schild. Tabakgeruch wäre dem einzigartigen Geruch des Ladens abträglich gewesen. Der Briefkopf hatte den Zusatz «Lieferant Ihrer Königlichen Hoheiten», gefolgt von den Wappen von vier Mitgliedern der ersten Familien des Landes. Die Burlington Arcade war nur zehn Minuten zu Fuß vom Buckingham-Palast entfernt. Über der verglasten Tür hing eine hundert Jahre alte silberne Glocke. Sie bimmelte.
«Guten Morgen, Mr. Cooley.»
«Guten Morgen, Sir», antwortete Dennis einem seiner Stammkunden, während er sich erhob. Sein Akzent war so neutral, daß angebliche Kenner ihn drei verschiedenen Landesteilen zugeordnet hatten. «Ich habe die Erstauflage von dem Defoe. Wegen der Sie Anfang der Woche anriefen. Sie ist gestern gekommen.»
«Aus der Sammlung in Cork, von der Sie sprachen?»
«Nein, Sir. Ich glaube, sie kommt aus der Bibliothek von Sir John Claggett, bei Swaffham Prior. Ich habe sie in Cambridge gefunden, bei Hawstead.»
«Und es ist wirklich eine Erstausgabe?»
«Gewiß, Sir.» Der Antiquar zeigte keine merkliche Reaktion. All das war ein Code. Cooley flog häufig nach Irland, in die Republik und auch in den nördlichen Teil, um Bücher aus dem Nachlaß verstorbener Sammler oder von Händlern auf dem Land zu kaufen. Wenn der Kunde eine Grafschaft in der Republik Irland erwähnte, meinte er den Bestimmungsort der Information. Wenn er sich hinsichtlich der Ausgabe vergewisserte, ließ er ihre Bedeutung durchblicken. Cooley nahm das Buch vom Regal und legte es auf den Schreibtisch. Der Kunde schlug es vorsichtig auf und fuhr mit dem Finger die Titelseite hinunter.
«Im Zeitalter von Paperbacks und schlechtgebundenen Büchern ...»
«In der Tat.» Cooley nickte. Beide Männer hatten echten Respekt für die Kunst des Buchbindens. Ein Umschlag war eine Tarnung, und eine gute Tarnung wird im Lauf der Zeit solider, als ihr Schöpfer erwartet hat. «Das Leder ist bemerkenswert gut erhalten.» Der Besucher murmelte etwas Zustimmendes.
«Ich muß es haben. Wieviel?»
Der Antiquar antwortete nicht. Statt dessen zog er eine Karteikarte aus dem Kasten und reichte sie dem Kunden hin. Dieser warf nur einen flüchtigen Blick darauf.
«In Ordnung.» Der Kunde setzte sich auf den einzigen anderen Stuhl im Laden und klappte seine Aktentasche auf. «Ich habe noch einen Auftrag für Sie. Das ist eine frühe Ausgabe des Landpfarrers von Wakefield. Ich habe sie letzten Monat in einem kleinen Laden in Cornwall gefunden.» Er gab dem Antiquar das Buch. Ein kurzer Blick genügte Cooley, um den Zustand zu erkennen.
«Eine Schande.»
«Kann Ihr Mann es restaurieren?»
«Ich weiß nicht...» Das Leder war rissig, einige Seiten hatten Eselsohren, und der Einband war wellig und abgenutzt.
«Sie haben es auf einem Speicher gefunden, und das Dach hatte eine undichte Stelle», sagte der Kunde gleichgültig.
«Oh?» Ist die Information so wichtig? Cooley sah auf. «Wie manche Leute mit Büchern umgehen!»
«Ja, leider.» Der Mann zuckte mit den Schultern.
«Ich werde sehen, was sich tun läßt. Sie wissen ja, Wunder kann er auch nicht vollbringen.» Ist es so wichtig?
«Ich verstehe. Er soll bitte sein Bestes tun.» Ja, es ist sehr wichtig.
«Selbstverständlich, Sir.» Cooley öffnete die Schreibtischschublade und holte die Kasse heraus.
Dieser Kunde
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