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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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Gesichter lesen konnte.
    Aber die Schüsse hatten alles geändert. Und meine Bitterkeit konnte den dünnen Faden, der uns schon fast verbunden hatte, nicht reparieren.
    Sie sagte anklagend: »Sie stehen jetzt erst auf?«
    Ihr Gesicht entriet jeden Make-ups, und sie sah angespannt aus.
    »Eigentlich wollte ich mich gerade hinlegen.«
    Sie sah mit großem Aufwand auf ihre Uhr. »Es ist halb zwei Uhr nachmittags.«
    Ich war versucht, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen und Ööh, verpissen Sie sich! zu rufen, beließ es aber bei: »Sie sind extra hergekommen, um mir zu sagen, wie spät es ist? Ich habe eine Armbanduhr.«
    Sie schob an mir vorbei und marschierte ins Wohnzimmer.
    Ich schloss die Tür, sagte: »Es wird mich bei den Nachbarn nicht gerade beliebt machen, wenn Bullen vor der Tür stehen.«
    Sie sah sich um, sah nichts, was ihre Laune bessern konnte, also fragte ich: »Darf ich was anbieten? Ein Bier, einen großen Whiskey?«
    Stichel, stichel.
    Sie sagte: »Ich hätte gedacht, Witze über Alkoholismus wären kaum angebracht.«
    So standen wir da, Feindseligkeit umschwirrte uns, bis ich fragte: »Sie haben sich also gedacht: ›Ich geh ihn mal besuchen und gehe ihm einfach gepflegt auf den Sack‹? Mit Verkehrsregeln nicht ausgelastet? Ja, ja, die bösen, bösen Ampeln.«
    Bei ihr schien allmählich die Luft raus zu sein. Sie plumpste auf einen Sessel, fragte: »Wissen Sie, wie schwer es ist, Polizist zu sein?«
    Ich wollte rufen: »Hallo, ich war selbst mal einer«, sagte aber nichts.
    Sie fuhr fort: »Und wenn man eine Frau ist – eine lesbische Frau –, dann finden sie das besonders gut. Man weiß einfach, dass man auf keiner Beförderungsliste steht. Voriges Jahr haben sie Röcke an uns ausgegeben, um unser Image sanfter zu gestalten, als würde ein Schurke den Unterschied zu würdigen wissen, das Messer fallen lassen und sagen: ›Tut mir leid, mir war nicht klar, dass Sie einen Rock tragen.‹ Keine der anderen Frauen trägt einen. Ich habe meinen Schlagstock und einen Gürtel für die Handschellen, mit Fach für das Funkgerät, Gesichtsschutz für Mund-zu-Mund-Beatmung und Latexhandschuhe für Gesundheit und Sicherheit, besonders, wenn man eine Leiche durchsuchen muss.«
    Sie schauderte leicht, als sie das sagte, fügte dann hinzu: »Make-up ist erlaubt, haben Sie das gewusst? Solang es kein roter Lippenstift oder was Knalliges ist. Das Haar muss eine ganz bestimmte Länge haben. Da gibt es eine Zicke, mein Sergeant, die misst mir die Haare nach, da habe ich mir einen Pferdeschwanz gebunden, und da hat sie gesagt, der muss unter die Mütze.«
    Es war, als hätte sie sich noch nie wirklich gestattet, die Einzelheiten ihres Jobs zu überprüfen, und ich fragte mich, worauf das hinaussollte. Sie war noch nicht fertig.
    »Wir sollen uns im Streifenwagen abwechseln, und das ist immer zu zweit. Auf Fußstreife ist man oft ganz allein. Wissen Sie, wie oft ich Streife fahre? «
    Ich musste etwas sagen, versuchte es mit: »Nicht oft, rate ich mal.«
    »Nie. Ist das gerecht? Aber was sage ich. Um gerecht geht es gar nicht. Ständig klebe ich auf der Revierwache. Ich hasse das, es ist wie im Büro, die Leute suchen ihren Führerschein, ihren Pass, melden einen Diebstahl. Es ist so langweilig. Dann bringen sie einen Besoffenen rein, viele Besoffene …«
    Sie fasste mich ins Auge. Ich fiel offenkundig unter diese Kategorie.
    Am liebsten hätte ich gesagt: »Och, die arme kleine Wellewulst, darf nicht im großen Auto mitfahren.«
    Aber ich beherrschte mich, und sie fuhr fort: »Ich bin nämlich liebend gern Polizistin, aber wenn ich nicht bald befördert werde, muss ich überlegen, ob ich kündige.«
    Ihr Gesicht, als sie das sagte, war eine Tragödie in Miniatur. Der Schlaf versuchte, seine Ansprüche auf mich anzumelden, und ich wollte, dass sie endlich die Flatter macht, also sagte ich: »Tun Sie, was Sie tun müssen, egal, was es ist, um die Beförderung zu kriegen.«
    Sie sah mich direkt an, und mir wurde klar, dass wir zum eigentlichen Grund für ihren Besuch gekommen waren.
    Sie sprach: »Mir macht ein Gesundheitsproblem große Sorge, und ich weiß nicht, wem ich das sagen kann.«
    Manchmal führt nur Schlichtheit ans Ziel, also sagte ich: »Sagen Sie’s mir.«
    Sie atmete tief ein.
    »Ich habe einen Knoten in der Brust gefunden. Es könnte nur Gewebe sein, aber – «
    Ich zögerte nicht.
    »Das müssen Sie untersuchen lassen.«
    Einen Augenblick lang ging es bei ihr nicht weiter, vielleicht, wer

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