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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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weiß, stellte sie sich schreckliche Konsequenzen vor.
    Ich machte weiter Druck. »Wellewulst, versprechen Sie mir, dass Sie einen Arzttermin vereinbaren.«
    Sie stellte ihre Brennweite wieder ein.
    »Okay, mach ich, aber es gibt noch etwas anderes.«
    Ich wartete. Sie fragte: »Sie wissen von der Kreuzigung?«
    Ich nickte, obwohl ich herzlich wenig wusste.
    Sie sagte: »Er war achtzehn Jahre alt, John Willis, sie haben ihn ans Kreuz genagelt und das Ding auf dem Hügel über der städtischen Müllkippe aufgestellt. Wir dachten, es hätte vielleicht was mit Drogen zu tun, wäre vielleicht eine Warnung gewesen oder vielleicht sogar was Politisches. Ist es nicht. Er kommt aus einer respektablen Familie, sollte aufs College gehen und hat keine Vorstrafen.«
    Sie wartete auf meinen Beitrag.
    Ich war verblüfft, schockiert, angewidert. In meinem Kopf hatte ich Visionen von Cody, und ich dachte, vielleicht übergebe ich mich.
    Brauchte geschlagene fünf Minuten, bevor ich keuchen konnte: »Irgendwelche Hinweise?«
    Sie fasste sich, zügelte den Aufruhr, den der Fall in ihr auslöste. »Wir haben nichts – keine Hinweise, nichts, keinerlei Anhaltspunkt, Schweigen im Walde. Aber wenn jemand da etwas Licht ins Dunkel bringen könnte, das wäre sehr karriereförderlich.«
    Ich brauchte einen Moment, bis ich kapierte.
    »Och nö, Sie wollen, dass ich herumschnüffle. Sie sind es doch, die mir immer sagt, ich soll die Finger von diesem ekligen Geschäft lassen, Sie sagen doch immer, es wird mich umbringen.«
    Sie hatte immerhin genug Anstand, beschämt auszusehen, sagte dann: »Ich will nicht, dass Sie irgendwas Gefährliches machen, aber Sie haben ein unheimliches Talent, Fäden aufzuspüren.«
    Bevor ich ablehnen konnte – und ich hatte vor abzulehnen –, zog sie einen Zettel hervor und sagte: »Hier ist der Name, er hat im Claddagh gelebt, ich lasse den Zettel hier. Denken Sie nur darüber nach, okay? Um mehr bitte ich Sie gar nicht, Jack.«
    Jack.
    Sie benutzte sonst nie meinen Vornamen. Daran konnte man ihre Verzweiflung ablesen.
    Als sie zur Tür ging, sagte sie: »Sie sehen erschöpft aus, gönnen Sie sich ein bisschen Ruhe.«
    Mit allem Sarkasmus, den ich aufbringen konnte, sagte ich: »Ihre Besorgnis rührt mich. Wenn ich Sie nächstes Mal sehe, will ich hören, dass Sie sich haben untersuchen lassen.« Ich versuchte, es leichthin klingen zu lassen, nicht zu zeigen, wie beunruhigt ich war.
    Sie war auf dem Flur, einen Lichtstrahl auf den goldenen Knöpfen ihrer Uniform. Fast eindrucksvoll sah sie aus, und verletzlich, und sie sagte: »Ich bin nicht besorgt, ich habe nur versucht, höflich zu sein.«
    Ich rief ihr nach: »Das war noch nix. Legen Sie mehr rein.«
    Ich knallte die Tür zu, damit die Nachbarn wussten, dass ich wieder da war, in aller Wildheit wieder da war. Hob den Zettel auf, las:
    John Willis
    3, Claddagh Park
    Galway
    Ich setzte mich auf den Sessel, und bevor ich auch nur mit Nachdenken anfangen konnte, fielen mir die Augen zu, und der Schlaf schnappte mich weg.
    Herbert Spencer schrieb: »Es gibt ein Prinzip, das eine Sperre gegen jede Information, ein Beweis gegen alle Argumente ist und jeden unfehlbar in immerwährender Unwissenheit hält – dies Prinzip lautet: Erst verachten, dann ermitteln.«
    Ich habe natürlich keine Ahnung, wie Spencer aussah, aber er erschien in meinem benebelten Schlaf, hielt Hammer und Nägel bereit, zitierte Obiges und rief dann, dieser Fall werde nie gelöst werden, da ich nicht in der richtigen Geistesverfassung sei. Er sah ein bisschen wie mein Vater aus, und dann brüllte er auf Irisch: »Bhí cúramach!«
    Sei vorsichtig.
    Wellewulst kam auch in dem Traum vor, aber ihre Rolle weiß ich nicht mehr, außer dass sie extrem unglücklich war. Serena May, das tote Kind, erschien natürlich, hatte mich mit seinen traurigen Augen fest im Blick, bis ich aufwachte, winselnd, in Schweiß gebadet.
    Meine Wohnung war dunkel, und ich fummelte meine Armbanduhr zurecht … Heiland, sieben Uhr, ich war fünf Stunden lang weg gewesen. Fasste den Vorsatz, meinen Schlaftablettenkonsum drastisch herunterzufahren. Was die Bitterkeit betraf, so fasste ich keinen solchen Vorsatz – sie war mein einziger Treibstoff.

6
    »Sed libera nos a malo.«
»Sondern erlöse uns von dem Übel.«
    Das Vaterunser

D as Mädchen erinnerte sich an die grünen Wände der Nervenheilanstalt – kotzgrün. Sie war in einem Krankenhausbett zu sich gekommen und zuerst von Panik erfasst gewesen, bis ihr klar

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