Jack Taylor auf dem Kreuzweg
nennen Sie es reine Bosheit, blieb ich stehen, kam zurück und trat ihm zweimal mit dem Stiefel seitlich gegen den Kopf und sagte: »Jetzt sind wir fertig.«
In meiner Wohnung riss ich mir den Mantel vom Leibe. Normalerweise wäre nach so einer Episode der erste Tagesordnungspunkt ein großer Jameson. Ich verputzte zwei von Stewarts Pillen, machte Tee, ordentlich mit Zucker, auf Wirkung, und untersuchte meine Hände. Sie waren in schlechtem Zustand. Die linke war hauptsächlich Blut, abgefetzte Haut. Dagegen half Wasser, eiskalt. Die rechte war ernster. Die Finger könnten gebrochen sein, dachte ich. Sie waren schon ein paarmal gebrochen gewesen, das Lied kannte ich also.
Ich versuchte, eine Schiene zu bauen, bekam sie aber nicht zusammen, und während ich herumwühlte, fand ich eine Visitenkarte.
Gina De Santio
Und Telefonnummern drunter.
Was hatte sie gesagt? Wenn ich Hilfe brauchte? Na, dann wollten wir doch mal sehen, wie ernst das gemeint gewesen war.
Ich wählte unter Schwierigkeiten die Nummer, wartete, hörte dann:
»Sì?«
Beschloss, es drauf ankommen zu lassen.
»Hier ist Jack Taylor. Sie haben mir in der Kantine des Krankenhauses Ihre Karte gegeben und gesagt, wenn ich mal Hilfe brauche?«
Daran, wie sie »Sì?« gesagt hatte, merkte ich, wie schläfrig sie war. Ja, das Merken ist mein Geschäft. Ich bin nämlich Detektiv.
Sie brauchte einen Moment, dann: »Ah ja, Mr Taylor. Ich hatte nicht erwartet, dass Sie anrufen.«
Ich wollte erwidern: »Und warum haben Sie mir dann Ihre Scheißvisitenkarte gegeben?«
Sagte aber: »Ich brauche Hilfe, jetzt.«
Zu meiner Verblüffung sagte sie: »Ich werde kommen.«
So ist das Leben. Oder so sind die Menschen. Wenn man gerade alle Hoffnung aufgegeben hat, überraschen sie einen. Wahrscheinlich stand ich deshalb immer noch morgens auf. Ich gab ihr meine Adresse und sagte: »Bringen Sie irgendwas mit, ich habe gebrochene Knochen.« Ich dachte, dann überlegt sie es sich noch mal.
Tat sie auch, sagte dann aber: »Ich werde in zwanzig Minuten da sein.«
Werde einer schlau draus.
Als sie kam, hatten Stewarts Pillen angefangen zu wirken. Sie sah nicht nur aus, sie strahlte aus, und ich spürte etwas, was ich seit, oh, so langer Zeit nicht mehr gespürt hatte. Eine Regung.
Mist.
Sie trug ein altes College-Sweatshirt mit der Aufschrift TRINITY , abgewetzte Jeans, Turnschuhe und einen braunen Regenmantel. Ihr Haar war zurückgestrichen, und sie sah wunderschön zerzaust aus.
»Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass Sie kommen, besonders, wenn man bedenkt, dass Sie mich eigentlich gar nicht kennen.«
Sie begutachtete meine Wohnung, wie nur Frauen das können. Nicht gerade kritisch, obwohl das auch mitschwang, sondern eher im Gesamtüberblick, dem nichts entging. Ihr Blick verweilte etwas länger auf meinen Vorhängen, und ich wusste, dass sie dachte: »Und wann sind die jemals gewaschen worden?«
Typen denken: »Wo steht der Alk?«
Sie trug ein Arztköfferchen, und das sah aus, als hätte es durchaus den einen oder anderen Einsatz gesehen.
Sie sagte: »Vielleicht kenne ich Sie besser, als Sie glauben. Ich bin zwar praktische Ärztin, arbeite aber hauptsächlich als Therapeutin.«
Eine leichte Spur von Akzent war sehr anziehend, als müsste sie sich die richtige Aussprache herausschnitzen.
Ich fragte: »… was haben – Tee, Kaffee? Oh, und Jameson und Wodka habe ich auch.«
Sie bedachte mich mit einem Blick, der sagte: »Ist dies ein geselliges Beisammensein?«
Sie selbst sagte: »Setzen Sie sich, dann sehen wir uns an, was Sie sich angetan haben.«
Sie war gründlich. Sie wusch und reinigte die Wunden, machte diese Hmmm -Geräusche, wie sie nur Angehörige der Ärzteschaft beherrschen, versah dann die Finger meiner rechten Hand mit einer Schiene.
»Diese Finger wurden schon einmal gebrochen, ich bin aber ziemlich sicher, dass sie diesmal nicht gebrochen sind. Um ganz sicher zu sein, müssten wir sie jedoch röntgen lassen, und ich glaube nicht, dass Sie es damit eilig haben?«
Nachdem sie meine Hände verbunden und mit leichter Gaze umwickelt hatte, trat sie einen Schritt zurück.
»Sie werden leben, aber gehen Sie morgen ins Krankenhaus.«
Ich fühlte mich sehr entspannt, nichts tat mir weh, und ich war fähig, ihren Duft zu genießen – den Duft einer Frau und noch von etwas anderem, worauf ich nicht kam, aber es gefiel mir.
Sie sah auf ihre Uhr, eine sehr schlanke Rolex, und sagte: »Jetzt nehme ich auch gern den Drink, Wodka mit
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