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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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Tonic. Morgen habe ich frei, da kann ich ausschlafen.«
    Da wäre ich gern dabei gewesen. Lag bestimmt an Stewarts Pillen.
    Sie fragte, ob ich große Schmerzen hätte, und der Suchttyp in mir sagte: »Lüg sie an.«
    Ich log sie an.
    Sie holte einige Pillen aus ihrem Köfferchen, rationierte sie nach Ärzteart, mit dieser bedächtigen Konzentration, damit sie einem bloß nicht eine mehr geben, als man braucht.
    Sie sagte: »Die sind sehr stark. Nehmen Sie sie bloß nicht zusammen mit Alkohol.«
    Ich versuchte, sie mir nicht gierig zu schnappen. Ich baute mir einen hübschen kleinen Vorrat für den Verteidigungsfall auf. Ich holte ihr den Drink, fragte: »Warum sind Sie gekommen? Ich meine, das ist doch – wie lautet der Ausdruck? – höchst ungewöhnlich?«
    Sie seufzte, und dann erkannte ich den Duft. Patschuli-Öl, was sich die Hippies immer draufmachten. Weiß nicht, warum, aber es ließ mich hoffen. Worauf … ich weiß es nicht, ich hatte so lange nichts mehr gehofft. Da nahm ich den Duft einfach ohne Analyse wahr.
    Sie starrte in ihr Glas. Ich wusste, dass da drin keine Antworten waren. Deren Illusion, klar, aber nichts, was einem die Wahrheit sagen würde.
    Sie sagte: »Ich bin aus Napoli. Wir sind arm aufgewachsen. Ich habe einen irischen Arzt geheiratet, es ist eine lange Geschichte, jetzt ist er weg, und wir hatten eine Tochter, Consuelo, das schönste, beste Mädchen der Welt. Sie ist vor drei Jahren gestorben.«
    Sie nahm einen anständigen Hieb von dem Wodka und fuhr fort.
    »Dadurch wurde ich Mitglied im exklusivsten Klub der Welt – der Familie der Opfer. Niemand möchte dazugehören, wir teilen den Schmerz, der nie vergeht, und wir können einander erkennen, auch ohne Worte. Sein Kind zu überleben, das ist die schlimmste Qual, die die Welt zu bieten hat. Und als ich Sie sah, den Ausdruck in Ihren Augen sah, da wusste ich, dass wir ein neues Mitglied hatten.«
    Ich wollte sagen: »Bockmist, gehen Sie mit Ihrer Therapie in einem anderen Stadtteil hausieren.« Nicht einmal die Pillen konnten meinen Ärger besänftigen.
    Ich sagte: »Ich weiß natürlich Ihre Hilfe sehr zu schätzen, aber stellen Sie bitte keine Theorien über mich und irgendwelche Verluste auf.«
    Es klang so wild, wie es hatte klingen sollen.
    Sie ließ ein winziges Lächeln sehen und nickte. »Ich verstehe Wut.«
    Ich wollte sie schütteln, schreien: »Ach ja? Einen Scheiß verstehen Sie.«
    Sie sagte in ruhigem Tonfall: »Wut ist eins der fünf Stadien des Kummers.«
    Ich war aufgesprungen. »Ich? Ich habe sie auf zwei reduziert – Zorn und Saufen.«
    Sie stand auf, sagte: »Ich muss los. Ich würde gern etwas Zeit mit Ihnen verbringen, Mr Jack Taylor.« Und berührte mit einem Finger mein Gesicht. Das brannte stärker als die Spucke von Codys Vater.
    Ich sagte stockend: »Sie meinen im Sinne einer Verabredung?«
    Sie war schon an der Tür.
    »Nein, ich meinte im Sinne von Trost.«
    »Ich brauche keinen Trost.«
    Als sie treppab ging, warf sie mir über die Schulter zu: »Ich hatte gar nicht von Ihnen gesprochen.«
    Nachdem sie gegangen war, fand ich keine Ruhe, wusste nicht, was ich denken sollte. Ich griff mir ein Buch, schlug es wahllos auf, las:
    … wenn einer sich erst aufs Morden einlässt, dann verfällt er auch bald aufs Rauben; Saufen und Sabbatschänden sind die nächsten Laster, und von da ist es nicht mehr weit zu Frechheit und Saumseligkeit …
    Was zum Teufel war das? Sah nach dem Autor: Thomas de Quincey.
    Vinny, aus Charly Byrnes Buchhandlung, hatte neulich einen Stapel Bücher bei mir abgeladen. Viele sahen alt aus, und Vinny hatte gesagt: »Ein paar dieser Schwarten sind so alt wie du.«
    Ich legte den Band beiseite und berechnete, dass das Einzige auf der Liste, was mir noch fehlte, Saumseligkeit war. Aber wenn man mein totales Unvermögen gelten ließ, mich wirklich damit zu befassen, wer eigentlich Cody abgeknallt hatte, hatte ich, fand ich, die Saumseligkeit auch ganz gut hingekriegt. Ich wusste, dass ich da draußen sein musste, um mit geballter Aufmerksamkeit den Schützen zu finden, aber ich hatte Angst. Wenn es nämlich Cathy war, Jeffs Frau? Ich hatte ihre Tochter und ihren Mann auf dem Gewissen, hatte ihr ganzes Leben zerstört.
    Ich nahm eine von Ginas Pillen und wartete, mein Geist im toten Winkel, und dachte: »Diese Pillen taugen einen Scheiß.«
    Beschloss, mich sowieso hinzulegen, und schlief achtzehn Stunden lang. Falls ich Träume hatte, erinnere ich mich nicht an sie, man kann aber davon

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