Jack Taylor fliegt raus

Tasche. Mit meinen braunen Umschlägen kam ich mir vor wie eine kleine Regierung.
    Ging zu Nestor’s. Der Wachposten war an seinem Platz, aber ich beachtete ihn nicht. Ich konnte seine Dankbarkeit spüren. Der Tresenmann nickte und ich sagte:
    »Gibt’s hier auch Kaffee?«
    Er hielt eine große Tasse hoch und sagte:
    »Aber klar.«
    Nahm den harten Stuhl. Die Tageszeitungen waren auf dem Tisch ausgebreitet. Nahm den Independent. Für Mrs Bailey, wenn schon sonst für nix.
    In der Topstory ging es um einen Mann, dem sein neues Auto gestohlen worden war. Er wohnte in einer Gegend mit starkem Zuzug von Flüchtlingen. Später am selben Tag war ihn ein Rumäne um Geld angegangen. Der Mann hatte ihn so zusammengeschlagen, dass der Rumäne nur knapp mit dem Leben davonkam. Es stellte sich heraus, dass ein Nachbarsjunge den Wagen »geliehen« hatte.
    Mein Kaffee kam und der Tresenmann sagte:
    »Er hat sein Auto verloren, aber der andere arme Schweinehund hat sein Land verloren.«
    Ich ließ die Zeitung sinken.
    Er sagte:
    »Das neue Irland. In zehn Jahren werde ich rumänische und afrikanische Iren bedienen.«
    Dachte, ich spiele meine Karten lieber gleich aus, und sagte:
    »Besser als die verstunkenen Kirchturmpolitiker der Fünfzigerjahre.«
    »Viel besser.«

A uf dem Eyre Square näherte ich mich einer Schar von Pennern. Die meisten waren nur halb bei Bewusstsein und nickten zu den Klängen eines Phantom-Orchesters. Ich hatte in meinem Leben schon einiges von dieser Musik vernommen. Ich fragte:
    »Hat jemand Padraig gesehen?«
    Ein Typ mit BOYZONE -Shirt und Glasgower Akzent sagte:
    »Wit di ya win wit im, Jimmy?«
    Was rohübersetzt bedeutet:
    »Wieso?«
    »Ich bin ein Freund von ihm.«
    Er konferierte mit seinen Kollegen. Eine Frau erhob sich aus der Gruppe. Sie gab der Personenbeschreibung »verschmutzt« neue Dimensionen und krächzte:
    »Er ist im Krankenhaus.«
    »Was ist passiert.«
    »Der Bus nach Salthill hat ihn erwischt.«
    So, wie sie es ausdrückte, klang es, als hätte der Bus es auf ihn abgesehen gehabt. Der Typ aus Glasgow fragte:
    »Pris i cip i tee, Jimmy?«
    Ich überreichte ihm etwas Bargeld. Dies rief einen Schauer von Segenswünschen, Lobpreisungen und Spuckeflug hervor. Konnte ich weiß Gott gut gebrauchen.
    Erst später fiel mir auf, dass die Frau einen amerikanischen Akzent hatte. Die Trink-Akademie war international geworden. Ich sah in einem alten Exemplar von RossMcDonald nach und fand diesen Klumpen puren Goldes:
    Unter ihren Augen waren dunkle Daumenabdrücke. Vielleicht war sie die ganze Nacht aufgeblieben. Amerikaner wurden nie alt, sie starben: und ihre Augen waren sich dieser Schuld bewusst.
    Voll bitterböser Vorahnungen brach ich zum Krankenhaus auf.

Das ist also die Liste,
    die Liste voller Lust,
    so voller Schalk,
    so voller Alk,
    dann will ich sie
    mit Schnörkel
    unterzeichnen,
    mit einem traurigeren Kuss
    beenden,
    nur einem
    natürlich.

A uf dem Weg zum Krankenhaus kaufte ich
    Selbstdrehertabak
    Zigarettenpapier
    3 Paar Thermosocken.
    Bei einem Pfleger holte ich Erkundigungen ein. Er war so störrisch, wie sein Status es verlangte. Irgendwann gelang esmir doch, zu ihm durchzukommen. Bargeld half. Er sagte:
    »Der alte Penner. Der liegt auf St. Joseph. Hat sich seine letzte Ladung Methan reingepfiffen.«
    »Danke, dass Sie ihm was abgegeben haben.«
    »Ha?«
    Ich erkannte Padraig nicht, nicht nur, weil sie ihn gewaschen hatten, aber er war geschrumpft.
    »Wie geht’s?«, sagte ich.
    »Sie lassen mich nicht rauchen.«
    »Üble Bande. Soll ich Ihnen eine drehen?«
    »Dann stünde ich ewig in Ihrer Schuld. Man ist hier nicht übermäßig angetan von mir. Gedeihen meine Brüder auf dem Platz?«
    »Sie haben alle nach Ihnen gefragt.«
    Sie hatten ihn bereits vergessen. Er wusste das. Er lächelte gepresst. Ich zündete die Selbstgedrehte an und steckte sie ihm in den Mund. Huster und Brustkorbgerumpel tanzten mit ihm im Bett. Er sagte:
    »Das habe ich gebraucht. Ist mir Ihr Name je zu Bewusstsein gekommen?«
    »Jack.«
    »Passt zu Ihnen. Dass es ebenfalls der Name meines Lieblingsgetränks ist, steht für die geschliffene Seite jenes Messers namens Ironie. Da ich hier lag, nikotinlos und nach einem Getränk schmachtend, grübelte ich über Gott nach. Ich glaube einmal gehört zu haben, dass Er meinen Namen kannte, bevor ich geboren wurde. Haben Sie sich Gedanken gemacht, die Sie dazu beisteuern könnten?«
    Ich sah mich verstohlen auf der Station um. Die Leute ignorierten uns