Jack vs Chris
Rasierklinge, die sich auf seinen Nacken zubewegt. Mit gezielten Schnitten entsteht in Jacks Nacken ein ‘C‘. „Gebrandmarkt!“, hauche ich in sein Ohr. Wandernde Finger drehen an der Schlinge, nehmen ihm so die Luft zum Atmen. Ein Krächzen ist zu hören, die Augen weit geöffnet errötet er.
Erschrocken trete ich zurück, versuche hektisch Luft in meine Lungen zu bekommen und schon renne ich los. Weg von hier, weg von diesem Mörder. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Beinahe hätte ich es getan, ich wollte ihn töten. Durch die Lagerhalle renne ich hinaus und weiter die Straße entlang. Einfach nur weg, so weit, wie mich meine Füße tragen, so lange, bis die Gedanken ruhen.
Jack
Ein Lächeln liegt auf meinen Lippen, auch wenn mich innerlich die Wut zerfrisst. Dieser Kerl hat mehr Kraft, als gedacht. Qualm steigt mir in die Nase. Die Zigarette, die ich erschrocken fallen gelassen habe, entflammt den Teppich unter mir. Meine Lungen entspannen sich, der Draht lockert sich etwas. Ich ahnte, dass Chris mein Anblick schockieren würde. Er ist nicht der geborene Mörder, oder? Zweifel plagen mich, doch nun muss ich zusehen, wie ich mich befreien kann. Immer dichterer Qualm zieht durch die Wohnung, und meine hektischen Versuche, die Handschelle loszuwerden, lässt meinen Hals sich anspannen. Der Draht schneidet in meine Kehle … soll es das gewesen sein?
Der Mörder in mir!
Chris
Geschafft! Keine Ahnung, wie lange ich benötigt habe, aber ich stehe vor meiner Wohnung. Die Füße schmerzen, blutige Spuren resultieren von einigen Stürzen. Sicherlich hätte mehr Kleidung einiges abgemildert und ich würde jetzt nicht so beschämt die Treppen erklimmen. Lediglich eine Boxershorts und ein T-Shirt hat Jack mir zugestanden. Ein leises Miauen erregt meine Aufmerksamkeit. Mit schmerzender Lunge bücke ich mich nach meiner Katze. Was bin ich froh, sie vor meinem Verschwinden vor die Tür gesetzt zu haben. Sie hatte mir in meine Lieblingsschuhe gepinkelt, und das an dem Tag, wo ich … ich will nicht mehr daran denken. Zärtlich streichele ich ihr übers Fell und nehme sie auf den Arm: „Du hast sicher Hunger, oder?“ Ein weiteres Miauen bestätigt meine Annahme. Doch nun stehe ich vor einem Problem, denn ich habe keinen Schlüssel. Meine Stirn schlägt gegen das Türblatt, erschrocken springt mir die Katze vom Arm. Ich habe keinen Schlüssel, habe alles zurückgelassen, es darf einfach nicht wahr sein. Wie gern würde ich einfach aufwachen, alles soll sich als Alptraum herausstellen, nicht der Realität entsprechen. War mein Leben bisher nicht steinig genug? Habe ich nicht schon genug mitgemacht? Scheinbar nicht.
Seufzend klopfe ich bei meiner Nachbarin, die mir verkniffen die Türe öffnet. „Ach, sind Sie auch mal wieder im Haus? Sie waren ganz schön lange weg!“, informiert mich die alte Frau über ihre Beobachtung und mustert meinen Aufzug.
„Ja, Frau Meyer, ich war leider unpässlich. Dürfte ich eventuell Ihr Telefon benutzen, oder wären Sie so freundlich, mir den Schlüsseldienst zu rufen?“
Argwöhnisch betrachtet sie mich. „Sie sehen nicht gut aus, Christopher, alles in Ordnung?“ Mein Gesichtsausdruck scheint ihr alles zu sagen, denn sie zieht mich in die Wohnung, drückt mich auf einem Stuhl in ihrer Küche nieder und reicht mir eine Tasse Tee. „Junge, Sie sehen aus, als wären Sie überfallen worden, und wie ich Ihre Bitte verstehe, scheinen Sie keinen Schlüssel mehr zu haben. Was ist passiert?“
Ich schweige beharrlich, sodass sie verstummt und mit ihren von Altersflecken übersäten Händen zum Telefonbuch greift und die Nummer sucht, die ich benötige.
Die letzten Momente mit Jack wollen nicht aus meinem Gedächtnis verschwinden, sein Röcheln, seine Augen. Ob er überlebt hat? Diesen Gedanken verdränge ich schnell, es sollte mich nicht interessieren, und doch fangen meine Hände an zu zittern. Habe ich ein Menschenleben auf dem Gewissen?
Frau Meyer setzt sich mir gegenüber, ein liebevolles Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. „Alles in Ordnung, mein Junge?“ Ein paar Worte, die mir ebenso ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
„Es geht. Die letzten Tage waren anstrengend und ich möchte sie gerne vergessen.“
„Meinen Sie nicht, Sie sollten zur Polizei gehen? Es ist doch offensichtlich, dass Ihnen Unrecht getan
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