Jackpot - wer traeumt, verliert
nicht ganz greifbar: was in ihr vorging – ob sie wirklich so hart war, wie sie sich gab. Anders der Kollege, den sie dabeihatte – der gar nicht so viel älter war als Sabrina: Typ schweigsamer Beobachter, geduldiger Blick, ein bisschen machomäßig, bestimmt ein guter Sportler, eher drahtig. Nur eben auch ein bisschen nervös, als würde er gerade einer Prüfung unterzogen.
Egal. Was konnten die beiden denn wissen?
Das hing von Matthias ab. Wenn er alles erzählt hatte, warteten sie wahrscheinlich nur noch, bis ihre Mutter kam, um sie mitzunehmen. Bei der Sache mit der Körperverletzung wollten sie damals auch einen Erziehungsberechtigten dabeihaben.
Hatte Matthias vor der Polizei ausgepackt? Möglich war alles. Sie durfte jetzt nichts Falsches sagen.
»Hat meine Mutter – irgendwie Ärger?«
»Wie kommst du darauf?«
»Na ja, sie arbeitet in einer Tabledance-Bar …«
»Deswegen sind wir nicht hier.«
Sabrina fragte sich, was man normalerweise als Unbeteiligte als Nächstes fragen würde in so einer Situation.
»Ist Matthias was passiert?«
»Lass uns auf deine Mutter warten, in Ordnung?«
»Er ist schon mal überfallen worden.«
Die Frau seufzte. »Sagen wir mal so, er hatte einen Unfall. Er wurde verletzt, aber nicht schlimm. Wolltest du dir nicht was anziehen?«
Sabrina ging in ihr Zimmer und sperrte hinter sich ab. Dann zog sie den Vorhang beiseite, der bei dem wackligen Schrank die Tür ersetzte, und nahm das Bettzeug von dem ausgezogenen Schlafsessel aus Schaumstoff. Sie rollte es zusammen, legte es unten in den Schrank und nahm aus dem oberen Fach einen Pulli und von der Kleiderstange eine Jeans.
Dann klappte sie mit zwei Handgriffen den Sessel zusammen und setzte sich zum Anziehen darauf.
Matthias hatte gesagt, er würde sie schützen, falls was schiefgeht. Deswegen hatte er sie auch in den Kofferraum gesperrt – damit es im Zweifelsfall so aussehen würde, als hätte er sie entführt. Nein. Wenn Matthias nichts gesagt hatte, wusste die Polizei nichts von ihrer Beteiligung.
Oder doch? Hatte sie vielleicht Spuren hinterlassen im Kofferraum – Haare, eine Kette, ein Armband, eine Feder, die sich aus ihrer Daunenjacke geschlichen hatte?
Verdammt.
Die Tasche mit den Klamotten!
Ihre Mutter kam gegen acht von der Arbeit, wie jeden Dienstag und Donnerstag, wenn sie den Laden noch putzte.
»Wie lang wohnen Sie schon mit Herrn Kriebl zusammen?« Die Frau. Der junge Polizist hatte immer noch nichts gesagt.
Ihre Mutter war ganz aufgewühlt. Verständlich. »Seit knapp einem halben Jahr, wir sind vor den Sommerferien eingezogen. Wir mussten kurzfristig aus der alten Wohnung raus, nach der Trennung von meinem Mann. Was ist denn jetzt passiert?«
Die Polizistin war wie ausgewechselt im Vergleich zu vorhin, nun ganz seriös: »Der Werttransport, den Herr Kriebl mit einem Kollegen gefahren hat, wurde überfallen.«
»Was?« Ihre Mutter, geschockt.
»Vorhin haben Sie doch gesagt, er hatte einen Unfall«, sagte Sabrina.
»Hatte er auch. Mit seinem Fluchtwagen.«
»Was?!« Ihre Mutter wieder, fassungslos.
»Er selbst hat den Transport überfallen«, sagte die Polizistin.
»Matthias?« Ihre Mutter, ungläubig. »Das würde er nie tun!«
»Anscheinend doch.«
»Das kann nicht sein! Er ist der ehrlichste Mensch, den ich kenne. Er würde nicht mal falsch parken! Er tut so was nicht.«
»Bisher vielleicht nicht.« Die Frau, mit Pokerface.
Ihre Mutter sagte verzweifelt: »Wissen Sie, wie ich ihn kennengelernt habe? Ich arbeite in einem Club. An der Garderobe. Die Kundschaft ist manchmal ruppig. Ein Kunde hat gesagt, ich hätte seinen Geldbeutel gestohlen. Matthias war dienstlich da, wollte gerade die Tageseinnahmen abholen. Und er war der absolute Gentleman. Bei so was würden sich viele Männer total aufplustern oder hinterher versuchen, die Situation noch für sich auszunutzen. Aber Matthias? Hat den Mann beruhigt und ihm geholfen, den Geldbeutel zu suchen.« Ihre Mutter verstummte.
»Und?«, fragte die Polizistin nach einer Weile.
»Er lag unter dem Tisch, wo der Mann gesessen hatte« antwortete ihre Mutter. »Matthias arbeitet seit acht Jahren für diese Firma und hat in dieser Zeit Unmengen von Geld durch die Gegend gefahren. Warum sollte er ausgerechnet jetzt –?«
Sabrina legte eine Hand auf die Schulter ihrer Mutter. Und fragte sich, wann sie ihre Mutter zuletzt umarmt hatte.
Ihre Mutter fing an zu weinen. »Davor war er zwölf Jahre bei der Bundeswehr, drei Auslandseinsätze, er
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