Jacks Briefe
nicht fallen würde. Sie sollte glauben. Für sie beide. Die Nacht verbrachten sie gemeinsam. Sie lagen, einander zugeneigt, auf ihrem Bett und sahen sich die ganze Zeit über an. Sie erzählten von früher und versuchten den nächsten Tag, in diesen letzten Stunden zu vergessen. Innig hielten sie einander an den Händen. Sinnlich küsste er die ihren und blickte sie durchdringlich an. Er wollte sie in seiner Erinnerung bewahren so gut es ging. Es würde ihm jene Kraft verleihen, wohlbehalten zu ihr zurückzukehren, wenn er ihr Bild in seinem Herzen stets bei sich trug. William hielt seine Frau zurück, als diese nach den beiden sehen wollte. Nicht weil sie Mitleid mit Jack empfand, sondern weil sie um Katelyns Unschuld besorgt war. Sie hatte ihren Standpunkt klar gemacht, doch nun, musste sie laut William, Katelyn und Jack diese Zeit gönnen. William hatte gelernt, sich gegenüber seiner Frau durchzusetzen. Er bändigte ihr toleranzloses Verhalten, indem er es nicht länger akzeptierte und sich, wenn es sein musste, gegen sie stellte. Er hatte es bei den Fryburys bewiesen und ebenso würde er es nun auch hier beweisen, in dieser unvorhergesehenen Situation. Er konnte den Kindern diesen Wunsch nicht abschlagen und er würde es auch nicht tun. Für nichts auf der Welt. Während Lady Amalia, nachdem sie eingesehen hatte, dass sie an jenem Abend nicht mehr gegen ihren Ehemann ankommen würde, sich einen zweiten Cognac einschenkte, um diesen wieder genau wie den ersten, in einem Schluck hinunter zu bringen, setzte sich William vor das prasselnde Kaminfeuer. Er starrte in die knisternden Flammen und die Erinnerungen an jenen Tag in Glencoe überkamen ihn wieder. Er sah die Gesichter der Menschen, hörte die Schreie in seinem Kopf, als würde er all das noch einmal erleben. Er konnte diesen Tag nicht ungeschehen machen. All dessen, zu was er sich schuldig gemacht hatte, konnte er nie mehr gut machen. Jack war seither seine Aufgabe. Nur durch ihn hatte er das Gefühl, die Dämonen, welche ihn seit Glencoe heimsuchten, im Zaum halten zu können. Vielleicht war alles so vorherbestimmt. Vielleicht waren die Kinder mit ihrer Verbindung, ein Neubeginn. Ein Zeichen seiner Absolution. Er hoffte, dass das Bild von Jacks Vater, welches ihn immer noch in seinen Träumen erschien, verblassen würde. Jedes Mal wenn er aus einem dieser Träume erwachte, bat er Liam Hamilton um Verzeihung für das, was er getan hatte. Immer und immer wieder. Womöglich würde sein Geist, die Entschuldigung annehmen, wenn sein Sohn und Katelyn getraut wurden. William hoffte darauf, dass es so käme.
Katelyn schlug langsam die Augen auf. Sie suchte nach Jack, der an ihrem Fenster stand und hinaus blickte. Gedankenverloren und still. Sie ging zu ihm und umschloss ihn von hinten mit ihren Armen. „Woran denkst du?“, fragte sie und vergrub ihr Gesicht in seinem Nacken. Seine Haut war warm und weich. Sie mochte seinen Geruch. Er war unverkennbar. Es war sein Duft. Wie sein eigenes Parfum, das sie tief in sich aufnahm.
„Ich hatte mich gerade gefragt, wie es wohl sein wird, wenn wir verheiratet sind“, antwortete er. Mit diesem Satz hatte Katelyn nicht gerechnet. Er drehte sich zu ihr um, umfasste ihre schmale Taille und sagte: „Ich kann es kaum erwarten, wenn wir endlich für immer zusammen sind.“ Katelyn lächelte. „Ich auch nicht, Jack. Ich hoffe nur, dass du schnell wieder heimkehrst. Ich habe so furchtbare Angst, dir könne etwas geschehen.“
Er streichelte ihr sanft über das lange, wellige Haar und legte eine Strähne über ihre Schulter. „Mir geschieht nichts. Ich komme zurück. Ich verspreche es dir!“ Er besah sich ihre hübsche Gestalt. So gar nicht zurecht gemacht, hatte er sie lange nicht mehr gesehen. Das Haar ungekämmt, barfuß und nur im Unterkleid. „So gefällst du mir am besten“, sagte er und ließ seine Hände zärtlich über ihren Körper gleiten. „Ich freue mich schon so darauf, jeden Morgen mit dir aufzuwachen!“ „Du wirst mir doch schreiben, oder?“, fragte Katelyn. „Sicher, werde ich das!“, antwortete er und drückte sie noch einmal an sich. William klopfte an die Tür. „Wir brechen auf“, sagte er knapp und sie hörten, wie er auf den Flur zurückging. Jack holte die Tasche aus seinem Zimmer. Hand in Hand, kamen sie die große Wendeltreppe hinunter. William sah wie zermürbt seine Tochter war. Er wollte nicht zugeben, dass es ihm selbst nicht besser ging. Er wusste schließlich, dass dieser Krieg
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