Jacks Briefe
dennoch blieb er auf. Zu groß war seine Angst um Jack. Sollte alles um sonst gewesen sein? Sein Desertieren, die Flucht aus dem Lager, Jacks Rettung, als dieser noch ein Kind war? Die See war stürmisch und peitschte mit aller Macht gegen das sich wehrende Schiff. William dachte, würde Jack diese Nacht überstehen, würde er es sicher auch bis nach Hause schaffen.
Jack warf sich im Schlaf hin und her. Er träumte von den Highlands. Von einem fast vergessenen Tag mit seinem Vater Liam. Graue Wolken wurden von dem kühlen, schottischen Wind davon getragen, der Nebel hatte sich im Tal gesammelt und lag starr über der grünen, satten Wiese. Sie standen gemeinsam auf einem der Hügel und blickten hinab ins Tal. Sein Vater hatte den Arm um ihn gelegt und gesagt: „Frei musst du sein, mein Sohn. Wir schaffen alles, was wir uns vornehmen, solange unsere Seele frei ist.“ Die Worte seines Vaters hallten noch in seinen Ohren, als das Schiff am Hafen von Edinburgh anlegte. Die Möwen sangen ihr lautes Lied, als William Jack weckte, indem er ihm sanft gegen die Wangen schlug. Wie erleichtert er doch war, als dieser seine Augen öffnete. Das Fieber schien über Nacht zurückgegangen zu sein. William reichte ihm ein Stück Brot und etwas Wasser. Als Jack etwas zu sich genommen hatte, war seine Blässe, unerklärlicherweise, ebenso zurückgegangen wie sein Fieber. William stütze ihn, als sie gemeinsam das Schiff verließen.
„Endlich zurück“, hauchte Jack und nahm einen tiefen Atemzug. „Mir geht’s schon jetzt viel besser!“ William blickte ihn an. „Das ist schön, Junge. Ich bring dich jetzt nach Hause.“ Sie stiegen in eine Kutsche, die sie in die Highlands bringen sollte. So nah waren sie ihrem Ziel, ohne zu bemerken, dass ein Soldat Williams Ankunft in Edinburgh mit angesehen hatte. Ein Soldat, der ihm in Oudenaarde unterstellt war. Jemand der wusste, dass weder der Krieg, noch Williams Dienst bei der Armee, zu Ende war.
Unterdessen hatte Katelyn Jacks Brief erhalten. Sie hatte geweint vor Glück, als sie seine Zeilen in der Ruine gelesen hatte und daraufhin ihren stetig wachsenden Bauch gestreichelt und Jacks Worten geglaubt, dass sich alles zum Guten wenden würde. Sie hatte den Brief geküsst, bevor sie ihn in die Kiste gelegt hatte und diese wieder in der Mauer versteckte. Sie glaubte an Jack, denn das war es, was sie brauchte, in dieser schwierigen Zeit. Lady Amalia hatte längst bemerkt, dass ihre Tochter nicht mehr in ein Mieder passte. Sie hegte einen Verdacht, jedoch erstickte sie ihn in noch mehr Alkohol. Immer noch sprach sie kein einziges Wort mit ihrer Tochter, die langsam in ihrer Einsamkeit verzweifelte. Elisabeth hatte sie auch schon seit längerer Zeit nicht mehr besucht. Sie befürchtete, dass ihre Eltern aufgrund des Gerüchts, über Katelyns außereheliche Schwangerschaft, den Umgang mit ihr verbaten. Sie war ganz allein und litt unter den strafenden Blicken ihrer Mutter und derer der Dienstmädchen. Hannah war diejenige, die mit ihr fühlte, jedoch hatte Lady Amalia ihr untersagt, mit Katelyn zu sprechen, unter der Androhung, sie würde sie sonst entlassen. Ihre eigene Mutter grenzte sie von allem ab, als Strafe dafür, dass sie ihren Heiratsplänen mit Duncan nicht gefolgt war. Der Gedanke daran, dass Jack bald bei ihr sein würde, gab ihr Kraft diese Zeit durchzustehen. Sie stand am Fenster und blickte hinaus. Wann würde er endlich ankommen? Wann würde er endlich wieder bei ihr sein?
Inverness2012
Jane blickt in eine sternenklare Nacht, als sie vor der Bibliothek stehen. James gibt sich verlegen, er will sie noch hineinbitten, doch vorher wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr. Es ist schon spät, aber er möchte nicht, dass sie schon geht. „Nun, danke für das Essen“, sagt Jane. James hält die Hände in seinen Taschen vergraben, er zückt seine Schlüssel und wedelt damit umher. „Ich fand’s auch sehr schön!“, sagt er und beugt sich in Richtung Türschloss. „Willst du, willst du noch mit rein kommen? Ich meine auf einen Drink, oder so?“, stellt er vorsichtig seine Frage. Sein Herz pocht heftig, in Erwartung darauf, wie Jane wohl antworten wird. Sie streicht sich das Pony zurück und sieht dabei ein wenig hin und hergerissen aus. James zieht seine Brauen zur Stirn und ein winziges Lächeln lässt ihn ahnen, dass sie nicht Nein sagen wird. Sie geht einen Schritt auf ihn zu. „Dann schließ mal auf!“ Er öffnet die Tür und lässt sie vor sich eintreten.
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