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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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jede Menge Tonscherben.
    Die Daken begruben ihre Toten neben dem Haus, um ständig mit ihnen reden zu können. Es waren vielleicht ihre Knochen, die wir hier als die ältesten ausgruben. Dann waren viel später die Legionen des Kaisers Trajan da gewesen, die vom Süden her, von der Donau, die Daken angegriffen hatten. Manche christlichen Söldner sollen in einer Höhle tief im Hügel ihre Messen gefeiert und ihre Toten bestattet haben. Doch sosehr der Pope auch danach gesucht hatte, gefunden hatte er nichts.
    Schließlich, wiederum viele Jahrhunderte später, erschienen am Horizont die Türken, die ins Banat eindrangen. Ein Meer von Janitscharen mit ihren Lanzen und Spießen, von berittenen Sipahis und Kapikuli, von Akinci, Aufklärern und Störern, die im Kampf als Erste ausschwärmten. Es waren so viele, dass die Erde bebte und das Hämmern von Tausenden von Hufen bereits Stunden vor dem Eintreffen der Armee zu hören war.
    Zuerst stieg in der Ferne eine Staubwolke auf, die sich immer mehr näherte, dann gab es kleine Lichtblitze von den Speerspitzen und den Schilden und dem übrigen Kriegsgerät. Als sie beim Berg ankam, teilte sich die Armee, wie ein Fluss, der sich von nichts und niemandem aufhalten ließ, und bewegte sich um ihn herum, nur um sich auf der anderen Seite wieder zu vereinen. Sie zog nordwärts bis nach Temeschwar, dann drehte sie nachWesten und verwüstete bis kurz vor Wien das Land der Monarchie. Auch in unserer Gegend sollen mehrere Schlachten stattgefunden haben, und dabei haben sich türkische Knochen mit allen anderen vermischt.
    «Deshalb, Jacob, habe ich keine Ahnung, wen ich hier eigentlich begrabe», schloss der Pope seine Ausführungen ab. «Wenn die Toten wieder zusammengesetzt sind, sind sie vielleicht ein Viertel türkisch, ein Viertel römisch und zwei Viertel dakisch oder auch ganz anders. Wenn es Ungläubige waren, soll mir der Allmächtige verzeihen, aber den Knochen sehe ich die Herkunft nicht an.» Dann beugte er sich zu mir hin und flüsterte mir hinter vorgehaltener Hand zu: «Das werde ich ihm sagen, wenn er mich danach fragen wird.»
    In den Momenten der Ruhe, wenn es tagelang stürmte, das Wasser in Bächen am Haus vorbeifloss, sich weiter unten in den Fluss ergoss und wir untätig abwarten mussten, bis sich der Himmel wieder schloss und der Berg seine Schätze noch zahlreicher als sonst freigab, las ich weitere Bücher aus der kleinen Bibliothek des Popa Pamfilie. Nach den süßen, müßigen Stunden in der deutschen Schule in Temeschwar oder neben Katica entdeckte ich die Literatur ein zweites Mal.
    Es waren vor allem rumänische Schriftsteller und einige russische, die er dort gesammelt hatte, ich verstand nicht alles, und nicht alles unterhielt mich gleichermaßen, aber ich gab nicht auf. Wenn die Nacht einkehrte und das Schnarchen des Popen durch unser Haus hallte, der scharfe Geruch unserer Mahlzeit sich im Raum staute, schlug ich bei der kleinen Flamme der Lampe ein Buch auf und hörte erst weit nach Mitternacht wieder auf.
    Manchmal tadelte mich der Pope am nächsten Tag,weil wieder einmal das Petroleum aufgebraucht war. Aber er ließ mich gewähren. In einer Nacht schlich er sich so leise an das Bett, dass ich erschrak, als ich die Augen hob und ihn erblickte.
    «Was findest du nur an Büchern?», fragte er.
    «Aber Sie haben sie mir doch gegeben», antwortete ich.
    «Als du krank gewesen bist. Aber was findest du jetzt daran?» Er zögerte, dann hob er die Hand, und ich merkte, dass er ein Bündel Kerzen darin hielt. «Das alles gefällt mir nicht, auch wenn ich dich darauf gebracht habe. Wenn du so weitermachst, redest du bald viel zu gescheit und willst plötzlich weg von hier.» Er schüttelte den Kopf, wollte sich entfernen, aber dann kam er zum Bett zurück und legte die Kerzen aufs Bett. «Nimm lieber die Kerzen als die Lampe. Sie sind billiger.»
    Es gab Augenblicke, in denen ich mir wünschte, dass alles so bleiben würde, für sehr lange. Als ich mich an einem Ort, der vielleicht nicht der beste war, aber der bestmögliche für mich, für angekommen hielt. Ich würde der Handlanger sein, solange der Pope lebte, und dann allein das Knochengeschäft weiterführen. Der Berg gab keine Anzeichen der Ermüdung. Ich würde einen Popen finden, der die Begräbnisfeier übernehmen würde. Ich würde die Knochen ausgraben, sie waschen und bereitstellen. Der Fluss würde mich Jahr für Jahr von der Welt abschneiden, dann würde ich die Knochen bis zum Sommer wieder

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