Jacob beschließt zu lieben - Roman
geworden.
«Was willst du hier?»
«Ich bin Jacob. Ich bin zurückgekommen.»
«Das sehe ich, auch wenn du dich sehr verändert hast. Aber was willst du hier?»
«Ich bin einfach wieder da.»
«Willst du dich rächen? Das würde ich dir nicht raten.»
«Ich will mein Land zurück.»
In diesem Augenblick geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Er lief nicht wutentbrannt, die Axt über dem Kopf schwingend, auf mich los, und er schlug mir auch nicht das Tor vor der Nase zu. Auch die vielen Flüche, die deftigen, rumänischen, die er wie kein Zweiter kannte, blieben aus. Stattdessen begann er laut zu lachen, ein verzweifeltes, trauriges Lachen, dabei schüttelte er sich so sehr, dass die Axt zu Boden fiel. Er lachte Tränen, und als sie getrocknet waren, lachte er weiter.
«Dann habe ich eine schlechte Nachricht für dich», sagte er, als er sich wieder beruhigt hatte. «Das Land werden weder du noch ich kriegen. Es gehört nicht einmal mehr Gott.» Jetzt öffnete er das Tor und machte mir ein Zeichen, dass ich eintreten sollte. «Frau, bring Wein und zwei Gläser heraus!», rief er ins Haus hinein.
Eine mollige, klein gewachsene Zigeunerin erschien auf der Veranda, in ihrem runden Bauch wuchs Sarelos Kind. Mit Mühe stieg sie die Treppen zu uns herab, überreichte mir schweigend und ohne mich anzuschauen ein Glas, dann schenkte sie ein. Dasselbe wiederholte sie bei Sarelo, dann stellte sie die Flasche auf der untersten Stufe ab und verschwand wieder im Haus.
«Du hast dir eine Zigeunerin genommen?», fragte ich.
«Ich bin ja auch einer.»
«Nur zur Hälfte, soweit ich weiß.»
Er sah mich scharf an und trank aus. «Du weißt es also. Umso besser. Dann weißt du, dass mir das Land genauso zustehen würde wie dir.»
«Eigentlich nicht, denn es gehörte in Wirklichkeit Mutter und Großvater.»
Er machte einen Schritt auf mich zu, ballte die Fäuste, seine Halsader schwoll an, und ich war froh, dass er die Axt nicht mehr bei sich hatte. Doch genauso plötzlich beruhigte er sich und schenkte sich wieder Wein ein. «Ich wäre der Richtige gewesen. Ich war widerstandsfähig.»
«Das bin ich heute auch.»
Erneut verdüsterte sich sein Gesicht, und sein ganzer Körper spannte sich an. Doch dann grinste er und schenkte auch mir ein. «Meinetwegen. Wir sollten nicht um etwas streiten, das nicht mehr ist. Hat dich Sibirien so kräftig gemacht? Wie war es dort?»
«Kalt.»
«Hör mal, es ging nicht anders. Entweder du oder ich. Die Russen standen im Haus und hatten mich schon gepackt. Vater hat entschieden, er hat mich gar nicht gefragt.»
«Und zum Dank lässt du ihn und Mutter im Gesindehaus schlafen?»
«Der Staat will es so. Die Schwaben und alle anderen Reichen besitzen nicht mehr ihre Häuser. Jetzt zieht das einfache Volk ein.»
«Du? Das einfache Volk? Er ist doch dein Vater.»
«Wer sagt das? Gibt es Beweise? Für alle hier bin ich nur ein Zigeunerjunge, der die dreckigste Arbeit gemachthat und im Stall schlafen musste. Für die Kommunisten bin ich für das Haus bestens geeignet.»
«Aber du selber hast es doch gesagt.»
«Wenn ich es gebraucht hätte, dann wäre er mein Vater gewesen, aber jetzt brauche ich es nicht mehr.»
Ich schaute mich um. «Wo sind sie jetzt?»
«Ich nehme an, beim Stallausmisten in der Kooperative. Sie sind die Einzigen, die nicht zu den Versammlungen der Schwaben gehen. Die treffen sich immer öfter unter der Leitung des Rosshändlers und des Wirtes.»
«Wieso?»
«Sie wollen zurück nach Lothringen.»
«Nach Lothringen? Wir kennen doch niemanden mehr dort.»
«Was weiß ich. Sie erzählen sich dauernd diese Geschichten über Frederick Obertin, die auch dein Großvater kannte. Sie wollen es mit dem Gold deines Vaters schaffen, oder soll ich lieber sagen: meiner Mutter?»
«Ist Großvater wirklich tot?»
«So tot wie meine Mutter. Sie ist nicht vom Bug zurückgekommen.»
«Wie ist er gestorben?»
«Ich weiß nur, wie er begonnen hat zu sterben.» Sarelo stellte das Glas ab, schloss das Tor, dann erzählte er, was er wusste.
Kurz nachdem die Russen abgezogen waren, kamen die rumänischen Kommunisten ins Dorf. Sie setzten sich fest, ernannten einen neuen Bürgermeister, einen Parteisekretär und einen Milizmann. Täglich erreichten das Dorf die roten Zeitungen aus Temeschwar und mit ihnen die Meldungen über die Verhaftungen und die Enteignungen der Volksfeinde. Die Schwaben wurden ausdrücklichdazugezählt. Es war jedem klar, dass bald auch Triebswetter vom
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