Jacob beschließt zu lieben - Roman
bereits auf sie, breitbeinig auf seinem Pferdekarren stehend.
In der einen Hand hielt er die Zügel, die andere stemmte er in die Hüften. Als alle da waren und um den Karren herumstanden, gab Jakob dem Burghüter das Zeichen aufzuhören. Es dauerte aber eine Weile, bis die aufgeregten Menschen still wurden und man Jakobs Stimme deutlich hören konnte.
«Brüder und Schwestern, ich nenne euch so, obwohl ich für euch keine besonderen brüderlichen Gefühle hege, wie ihr auch für mich keine hegt. Ihr wisst alle, wer ich bin. Ihr habt oft genug weggeschaut, um es nicht ganz genau zu wissen. Ich bin der, der vor anderthalb Jahren beim heftigsten Gewitter seit Menschengedenken hier angekommen ist und zuerst bei Neper Unterschlupf gefunden hat. Ich bin auch der, der seit fast zwei Jahren bei den Obertins arbeitet, und auch das wisst ihr bestimmt. Zu oft habt ihr gespuckt, als ihr uns zusammen gesehen habt. Aber ich bin nicht nachtragend. Ich habe mich nur gewundert, was für Leute ihr seid, die den Hof einer armen Frau und ihres Vater abbrennen lassen …»
«Arm? Die ist nicht arm», wurde er von einem Zwischenruf unterbrochen.
«Die den Hof einer armen Frau und ihres Vaters abbrennen lassen», wiederholte Jakob und betonte jedes einzelne Wort, «ohne zu helfen, wie es unsere Pflicht wäre, seit den Zeiten unserer Vorfahren, die sich zuerst hier niedergelassen haben. Nur Neper war zur Stelle und ein paar andere. Und wieso? Weil eine von euch es gewagt hat, den Kopf aus dem Dreck zu heben. Dem Dreck, in dem ihr euch gerne suhlt.»
Mutter hob den Kopf immer höher, bis sie erstaunt undbewundernd zu Vater hinaufschaute. «Sie hat sich mit diesem Leben nicht zufriedengegeben und ist so wie ich von zu Hause losgezogen, um etwas Besseres zu finden. Nur weil sie mehr Mut hatte als ihr alle Männer zusammen, verachtet ihr sie. Aber das wird jetzt aufhören, denn ich bin gekommen, um euch zu sagen, dass ich ab heute der neue Obertin bin. Die Obertins sind wieder da, mit uns müsst ihr rechnen. Ich kann gut ohne euch leben, aber besser wäre es mit euch. Doch ich lasse mich von niemandem bremsen, da soll keiner auf krumme Gedanken kommen.»
«Wer bist du eigentlich? Wir wissen gar nichts über dich. Wo kommst du her?», fragte einer.
«Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass ich da bin.»
Vater setzte sich zufrieden neben Mutter hin. Schweigend teilte sich die Menge und bildete eine Gasse, durch die der Karren davonfuhr. «Das war großartig!», flüsterte Mutter Vater zu. Sie griff nach seiner Hand. «Ich weiß», erwiderte er. An jenem Abend soll ich gezeugt worden sein. Sieben Monate später kam ich auf die Welt. Ich, Jacob, aber Jacob mit
c
.
2.
Kapitel
E r fiel in den Schlaf wie andere in den Tod. Er hatte sie nicht selten selbst dorthin befördert, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Es war die Kunst des Krieges, und darin war er ein Meister. Es gab 1635 keinen wie ihn in der Schwedenarmee, siebzehn Jahre nach dem Beginn des Großen Krieges.
Wenn die kaiserlichen Dragoner und die Infanterie mit großem Geschrei auf sie losstürmten und die Neuen, manche noch halbe Kinder, erschauderten, rammte er ruhig die Stützgabel in den Boden. Er stopfte Schwarzpulver und eine Bleikugel in den Lauf seiner Muskete und wartete. Auf dem gegenüberliegenden Hügel stieg Rauch auf, kurz danach folgte der Geschützdonner, und die Kanonenkugeln fielen mit einem vertrauten, kalten Zischen weit vor oder hinter ihnen. Manchmal aber auch mittendrin, dann rissen sie Löcher in die Masse der Soldaten. Er wartete noch immer, höchstens seine Hände wurden feuchter, sein Mund trockener.
Spätestens jetzt schossen die eigenen Kanoniere zurück, und auf den Flanken ritt die Kavallerie los, um sich dem Feind entgegenzustellen. Die Pikeniere stellten ihre Spieße auf, um die Musketiere zu schützen, und es gab jene wenigen Augenblicke der Ruhe, in denen sie alle, die für sich allein zu leben und zu sterben hatten, wie ein einziger Körper atmeten. Ein Körper aus zerlumpten, verrohten,verunstalteten Männern, der bereit war, zu vernichten oder vernichtet zu werden. Und Caspar, der erste Obertin, zerlumpt, verunstaltet, verroht auch er, war einer von ihnen.
Die Kaiserlichen kamen näher. Wo man sie nicht hatte aufhalten können, drangen sie zügig gegen ihn und seine Kameraden vor, wenn man einen Haufen zusammengewürfelter Söldner überhaupt
Kameraden
nennen konnte. Viele von ihnen waren Mörder, Straßenräuber, Plünderer
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