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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ihnen in die Hände zu fallen, hatten ihn zermürbt. Aber dass ein deutscher Offizier zu solch einer Tat fähig gewesen wäre, das hätte sich der Mann Gottes nicht vorstellen können. Der Pfarrer schaute hoch, und er wirkte noch jammervoller als vorher. Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn und schubste mich hinten im Wagen mit Sarelo herum.
    Der Offizier fing den Pfarrer ab, hörte ich ihn sagen, und befahl ihm mitzuteilen, ob und wo Nichtdeutsche im Dorf wohnten. Natürlich gab dieser ihm gerne Auskunft,er konnte doch nicht mit dem Schlimmsten rechnen. Als der Oberst hörte, dass auch eine Serbenfamilie hier wohnte, ließ er sich den Weg dorthin beschreiben, dann sprang er sofort auf sein Motorrad und fuhr davon.
    Was sich dann ereignete, wusste der Pfarrer nur vom Hörensagen. Offenbar war der Oberst mit vorgehaltener Pistole ins Haus der Pavlić eingedrungen und hatte erst den Vater, dann die Mutter und am Schluss Katica erschossen. Dabei sei Mirko doch ein tüchtiger Mann gewesen, nicht katholisch, aber tüchtig, befand der Pfarrer, dessen Glaube an einen zivilisierten Krieg erschüttert worden war.
    Man hatte sie auf dem falschen Friedhof begraben, auf dem katholischen. «Eine Panne», murmelte Pfarrer Schulz. Seitdem mache er sich Vorwürfe, er hätte doch nur schweigen sollen, schloss der Pfarrer. Weder er noch wir wussten, dass das noch nicht alles gewesen war, ja nur der Anfang. Dass über ihn wie über uns in wenigen Monaten noch mehr Schuld und Elend einbrechen und die Welt von Triebswetter für immer verändern würde.
    Ich hatte bisher sorglos mit Sarelo herumgealbert, doch als ich Katicas Namen hörte, erstarrte ich, dann begann ich zu zittern. Sarelo packte mich am Arm und flüsterte mir zu:
    «Wenn du blöd tust, schlägt dich dein Vater. Also bleib ruhig, du kannst sowieso nichts ändern.»
    Ich stieß ihn weg und schlug auf ihn ein. «Du hast es die ganze Zeit gewusst, du dreckiger Zigeuner! Du hast es gewusst und nichts gesagt!»
    Ich sprang auf die Gasse und Vater befahl: «Hör sofort auf!»
    Aber alle Konsequenzen waren mir gleichgültig geworden,die Vorstellung, dass Katica tot war und dieser Zustand für immer andauern würde, trieb mich noch mehr in die Verzweiflung. Alles andere war mir egal. Ich prügelte auf Sarelo ein, solange er es zuließ, denn er war kräftiger und geschickter als ich. Er packte mich bei den Armen und hielt mich fest, während Vater, der hinuntergestiegen war, mit der Peitsche in der Hand auf uns zukam. «Das kann nicht stimmen!», rief ich immer wieder und versuchte ohne Erfolg, mich zu befreien.
    Als Vater nur noch wenige Schritte entfernt war, ließ mich Sarelo mit einem breiten Grinsen los, und ich fiel hin. Ich sprang wieder auf, ich wollte nicht, dass Vater oder irgendwer mich anfassten. Er war nur noch eine Armlänge von mir entfernt, als ich zu laufen begann. Ich musste mich davon überzeugen, dass das alles wahr und nicht nur die Erfindung eines verrückten Pfarrers war, auch wenn ich dafür schlimmste Prügel kriegen würde.
    Ich hatte mich schon ein wenig entfernt, als Vaters Stimme mich einholte. Nicht aufgeregt oder gar laut, aber so, dass sie keinen Widerspruch duldete. Jedes einzelne Wort überdeutlich und gewichtig. Eine Stimme, um die ihn Gott und die Teufel beneidet hätten. «Bleib sofort stehen, sonst bereust du es!» Ich gehorchte, wohl aus Gewohnheit und nicht, weil mir der Schmerz, den er mir zufügen konnte, etwas ausmachte.
    Ich hörte ihn auf mich zukommen und drehte mich um. Kaum hatte ich es getan, folgte schon die erste Ohrfeige. «Willst du uns vor dem Herrn Pfarrer für eine Serbenhure blamieren? Steig wieder in den Karren ein.» Mutter schaute hinter ihm zu Boden, dann schubste sie Großvater, wie sie es immer tat, wenn sie wollte, dass er sich an ihrer Stelle einmischte.
    Großvater forderte Vater wenig überzeugend auf: «Lass den Jungen in Ruhe!»
    «Er ist mein Sohn, zumindest steht es so in den Papieren. Also mache ich mit ihm, was ich will.»
    «Du kannst mich nicht davon abhalten», sagte ich. Er presste die Zähne aufeinander, wie um mich zu zermalmen.
    «Wie war das?» Er packte meinen Kiefer und drückte den Kopf nach hinten. Ich schlug wild um mich und konnte mich von seinem Griff befreien. Er zog seine Hand erstaunt zurück, denn damit hatte er nicht gerechnet. Mit dem Peitschengriff schlug er mir jetzt ins Gesicht, dann fuhr er mit der Hand fort.
    «Du bist ein Nichtsnutz, das habe ich bei deiner Geburt gleich gewusst. Du

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