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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Schuld liegt doch in der Luft. Ich fürchte, weder die rumänischen noch die russischen Kommunisten werden uns verschonen», fügte Großvater hinzu.
    Wir stiegen auf den Karrenrand neben den säuberlichin Zeitungspapier abgepackten Teilen des Schweins, Niere, Lunge, Herz, Schwarte, und hüllten uns in Decken ein. Wir hatten nur wenig Zeit, die Ausgangssperre war nur für wenige Stunden ausgesetzt worden. Mutter legte das Kruzifix auf ihren Schoß. Ich saß da mit den Beinen über dem Boden baumelnd und dem Schweinskopf in den Armen, als wir aus dem Garten herausfuhren.
    Bis zuletzt starrte ich auf jenes Haus, das mich die letzten Jahre beherbergt hatte. In dem ich schöne Stunden mit Großvater verbracht hatte. In das ich nie wieder zurückkehren würde. Doch jeder Kilometer, den unser Gaul zurücklegte, brachte mich einem Mädchen näher, für das ich Liebe verspürte, die groß genug war, um mich zu verwirren.
    * * *
    Auf unserem Weg durchs Dorf waren wir ständig gegrüßt worden, denn obwohl man Vater nicht liebte, fürchtete man ihn und bewunderte seinen Tatendrang, der uns in nur wenigen Jahren die Verdoppelung unserer Ländereien eingebracht hatte. Dank seiner List und Beharrlichkeit war er einer der mächtigsten und reichsten Männer der Gegend geworden. Der Name Obertin hatte zwar nicht mehr dieselbe Ausstrahlung wie damals in den Gründungsjahren, aber er wurde wieder beachtet.
    Vor der Kirche, an der Kreuzung zwischen der Lothringer- und der Deutschengasse, war uns Pfarrer Schulz mit einem kummervollen Gesichtsausdruck entgegengekommen. Ich hatte noch keinen Menschen gesehen, der so schnell wie er gealtert war. Vor wenigen Monaten, als ich im Sommer ins Dorf gekommen war, wirkte er jugendlich, und seine rosigen Wangen rührten nicht vomSchnaps, sondern von seiner ausgezeichneten Gesundheit. Doch jetzt erkannte man ihn kaum noch, er war ein Schatten seiner selbst.
    Aus Seppls Kneipe kamen torkelnd die Säufer, zogen vor Vater die Mützen und erbettelten sich einige Münzen für ihre flüssige Leidenschaft. Vater holte aus seiner Manteltasche etwas Kleingeld und streute es auf den Boden, ohne die Männer zu beachten. Diese warfen sich in den Staub, kämpften miteinander, bis Nelu, der Sohn von Nea Grigore und der Stärkste von allen, die meisten Münzen an sich reißen konnte. «Ich gebe einen aus!», rief er, und nun, zufriedengestellt, kehrten sie zurück in das dunkle Lokal, wo über der Theke in roten Buchstaben geschrieben stand:
Der Kredit ist gestorben
. Vater rief Nelu hinterher: «Sag Nea Grigore, bevor du dich besäufst, dass ich ihn in zwei Stunden sehen will!»
    «Was führt euch so schnell wieder zurück?», fragte Pfarrer Schulz.
    «Das Bombardement, Herr Pfarrer. In Temeschwar kracht es so sehr, dass es in meinen Ohren nur noch rauscht. Ich dachte, wenn wir wieder hier sind, können wir Gott besser hören», antwortete Vater.
    «Dieses Rauschen haben Sie nicht nur seit jetzt, lieber Herr Obertin.»
    Wie um den Pfarrer milde zu stimmen, sprang Mutter vom Karren und ergriff die Hand des Pfarrers, um sie zu küssen. «Sie brauchen das nicht zu tun!», herrschte Vater sie an. «Die Kirche kriegt genug von uns.» Der Pfarrer strich Mutter über das hinten streng zusammengebundene Haar.
    «Sie sind hochmütig, Herr Obertin. Sie sollten sich ein Beispiel an Ihrer Frau nehmen.»
    Vater begann zu lachen. «Herr Pfarrer, was ist denn mit Ihnen passiert? Sie sehen so schlecht aus. Wer hat Ihnen so zugesetzt? Die Russen etwa? Sie sollten schauen, dass Sie das
Blaupunkt
-Radio loswerden, bevor es die Kommunisten entdecken.»
    Das Gesicht des Pfarrers verdüsterte sich, die zahlreichen Falten darin vertieften sich. Seine Mundwinkel zuckten leicht, als ob er in einem heftigen Widerstreit mit sich selbst lag. «Die Russen nicht, aber die letzte deutsche Kompanie, die hier stationiert war. Woher hätte ich wissen sollen, was der Oberst wollte? Sagen Sie, woher?» Seine Stimme stockte, und er schaute weg. «Dabei gehörten die Serben zu unserer Gemeinde, wie alle anderen auch.»
    «Sie reden in Rätseln, Herr Pfarrer», erwiderte Vater.
    Die Kompanie hatte den Rückzugsbefehl erhalten, erzählte er uns zögernd. Die Soldaten waren in die Lastwagen gestiegen, und der Pfarrer hatte ihnen etwas zu essen bringen wollen. Arme, abgemagerte Jungs seien sie alle gewesen. Die Nerven des Oberst waren zerrüttet, das konnte jeder sehen. Die Kämpfe jenseits der serbischen Grenze gegen Titos Partisanen und die Aussicht,

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