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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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bist nicht nach mir gekommen, wir haben nichts gemeinsam. Egal, wie oft ich dich anschaue, ich erkenne mich nicht in dir. Bist du überhaupt mein Sohn? Steig ein, wir regeln das zu Hause.» Er packte mich am Arm. Sein Tonfall war wieder leiser, von Weitem sah es bestimmt so aus, als ob wir ein ruhiges Gespräch führten.
    «Mache ich nicht. Ich wünschte, du wärst tot und nicht sie.» Er ließ mich los, um zuzuschlagen, doch ich benutzte diesen Augenblick, um erneut davonzulaufen.
    Das Haus der Pavlić war unberührt, niemand hatte sich getraut, etwas mitzunehmen, und weil sie keine nahen Verwandten hatten, würde es womöglich lange so bleiben. Es sah aus, als ob sie nur kurz auf den Markt oder zu einem Kunden gegangen wären, um für einen neuen Anzug seine Maße zu nehmen. Als ob bald Katica durch das Tor kommen und mich begrüßen würde. Nur der Hund, an den niemand gedacht hatte, war an der Kette verhungert oder verdurstet, und an einer Stelle im Garten war ein vertrockneter Blutfleck zu sehen.
    Ich war vorsichtig eingetreten, als hätte ich jemanden stören oder erschrecken können. In einer kleinen Kammer neben der Küche hingen Würste und Knoblauch von der Decke, und ein steinhartes Brot war in einen Lappen eingewickelt. In der Stube, wo auch ihre Betten waren, stand eine Schneiderbüste, worauf eine Art Kleid, von Stecknadeln zusammengehalten, zu erkennen war. Daneben ein weiterer dunkler Fleck.
    Die Holzdielen hatten das Blut aufgesogen. Katica oder ihre Mutter hatten dort gearbeitet und waren vom Oberst überrascht worden. Ich konnte deutlich sehen, wo der Körper gelegen hatte, bis sich die ersten Nachbarn getraut hatten nachzuschauen. Vielleicht war es sogar Katicas Körper gewesen.
    Ich konnte mich lange nicht entscheiden, was ich tun sollte. Ich streifte ziellos durchs Haus und durch den Garten, berührte Gegenstände und Kleidungsstücke, von denen ich mir einbildete, dass sie Katica gehört hatten. Ich stellte mir vor, dass sie sie vor ihrem Tod benutzt hatte und dass sie ihr wichtig gewesen waren.
    Ich hatte bisher nie ihr Haus betreten, ich wusste nicht, wo sie geschlafen, auf welcher Seite des Tisches sie beim Essen gesessen hatte. Welcher ihr Lieblingsplatz gewesen war und in welcher Ecke sie die Abende verbracht hatte. Doch ich nahm alles in mich auf, ein erstes und letztes Mal, verliebt und betäubt zugleich. Eine Betäubung, die mich lange nicht mehr verlassen sollte.
    Großvater fand mich zitternd auf den Stufen des Hauses und legte seinen Mantel über meine Schulter. «Wenn du länger hierbleibst, holst du dir den Tod. Du weißt, wie schnell du krank wirst.»
    «Ich bin es gewohnt.»
    «Komm nach Hause, er ist jetzt mit dem Verwalter unterwegs. Mutter hat Apfelscheiben geröstet. Du wirst sehen, wenn er zurückkommt, hat er sich wieder beruhigt.»
    «Niemals.»
    «Ich weiß.»
    Er hatte etwas Käse und Brot in ein Tuch eingewickelt mitgebracht. Weil ich nichts aß, tat er es an meiner Stelle, dann wischte er sich mit dem Tuch den Mund ab und steckte es in die Tasche. Er schaute zuerst im Garten, dann im Haus nach, am Schluss rief er mich hinein. Er hatte Feuer im Kamin gemacht und sich ein Glas Wein eingeschenkt, aus einer Flasche, die er im Küchenschrank gefunden hatte.
    «Wir können uns ein wenig wärmen. Das werden sie uns dort oben bestimmt nicht übel nehmen.» Er lachte. «Hast du sie wirklich gerne gehabt?»
    «Ja.»
    «So wie ich meine Pferde?»
    «Ja. Wie geht es ihnen?», fragte ich zurück.
    «Es sind nur noch fünf übrig. Sie sind etwas abgemagert, aber sie werden es schaffen.» Er schenkte auch mir Wein ein, dann setzten wir uns auf zwei Stühle am Feuer. «Hast du was mit ihr gehabt?», fragte er.
    «Wie meinst du das?»
    «Du bist ja immerhin achtzehn.» Eine Weile rührten wir uns nicht, und die Dunkelheit nahm immer stärker von dem Raum Besitz.
    Er griff nach meiner Hand und hielt sie fest. «Du denkst, dass jetzt alles vorbei ist, nicht wahr? Ich habe es auch gedacht, als deine Großmutter bei der Geburt von Elsa gestorben war. Du wirst sehen, da wird ein anderesMädchen kommen. Es kommt immer jemand, es ist nur eine Frage der Zeit.»
    «Bei dir ist niemand gekommen», antwortete ich.
    «Das ist etwas anderes, ich war ein Mann mit einem Kind.» Wir schwiegen.
    «Soll ich dir mal etwas erzählen?», fragte er. «So kann die Zeit auch vergehen.» Großvaters Geschichten waren ein Teil meiner Kindheit wie jene von Ramina. Weil er wusste, dass ich mich nicht widersetzen

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