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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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kaltes Wasser, einfache Seife und die abgetragene Garderobe ihrer Kleider, die ihr Reisegepäck seit dem Rückzug von Kabul darstellten. Aber sie tat ihr Möglichstes, und wenigstens fühlte sie sich sauber, als sie von ihren gewohnten Bewachern in das Audienzzimmer gebracht wurde.
    Akbar Khan saß an dem Tisch, die Arme vor sich verschränkt, die Augen auf irgendeinen Punkt in der Ferne gerichtet. Als sie hereinkam und sich die Tür hinter ihrer Eskorte schloß, hefteten sich die hellen Augen auf sie und betrachteten sie schweigend.
    »Du siehst müde aus«, entfuhr es ihr, bevor ihr das Wort erteilt war.
    Seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. »Keine falsche Beobachtung, Ayesha.«
    Sie tat einen Schritt auf ihn zu und sagte in aufwallendem Mitgefühl: »Darf ich dir Erleichterung verschaffen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein … nein, noch nicht.« Die Ellbogen auf dem Tisch, stützte er sein Kinn in die zusammengefalteten Hände und sah sie forschend an. »Nimm deinen Schleier ab.«
    Sie entfernte die Nadel und ließ den weichen Stoff zur Seite fallen.
    »Entferne ihn ganz.«
    Sie zog ihn von ihrem Kopf, und das Kerzenlicht fiel auf ihren schwingenden Kupferzopf, erfaßte den Jadeglanz ihrer Augen, die sich trotz tiefer Schatten doch leuchtend von der außerordentlichen Blässe ihrer Haut abhoben.
    »Du siehst nicht so aus, als ob du die letzten Wochen viel Vergnügen gehabt hättest«, bemerkte er.
    »Es macht mir keinen Spaß, Gefangene zu sein«, war die kurze Entgegnung.
    Wieder folgte ein Lächeln. »Nein, auch mir würde es kein Vergnügen machen. Aber deine Abgeschiedenheit hat dir ausreichend Gelegenheit gegeben, über die Frage nachzudenken, über deren Antwort du dir beim letzten Mal, als wir miteinander sprachen, nicht sicher warst.«
    Wer bin ich? hatte sie gefragt. Bin nicht auch ich in meinem tiefsten Inneren eine Ungläubige? Sie hatte die Antwort auf die Frage damals nicht gewußt, nun stand sie bereit.
    »Weißt du die Antwort jetzt?«
    Langsam nickte sie, und es war ihr klar, daß die Wahrheit sie verurteilen würde, wenn er beschloß, sie als Verrat aufzufassen, und doch wußte sie, daß sie keine Wahl hatte. »Ich bin nicht mehr wirklich ein Teil der Feringhees und könnte auch nie wieder ein Teil von ihnen sein nach den Jahren, die ich mit dir verbracht habe, aber in meinem tiefsten Inneren gehöre ich zu ihnen.«
    »In deinem tiefsten Inneren«, wiederholte er nachdenklich und strich sich dabei über den Bart. »Das hört sich nicht nach einem klaren Dasein an, Ayesha, im tiefsten Inneren dazuzugehören und zugleich kein Teil von ihnen zu sein.«
    »Aber es ist das Dasein, in das du mich versetzt hast«, sagte sie mutig. »Wenn du zu Anfang nicht dein Spiel gespielt hättest, hätte ich niemals mein tiefstes Inneres bei den Feringhees wiederentdeckt. Ich wäre zufrieden gewesen mit dem Leben, das ich führte. Ich meinte, ich sei Ayesha.«
    »Aber du bist es nicht«, stellte er fest, versuchte nicht, ihrer Anschuldigung zu widersprechen.
    »Es scheint so«, stimmte sie einfach zu. »Aber ich bin auch nicht das, was nach meinem Verständnis Annabel Spencer sein müßte.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, dann befahl er: »Leg deinen Schleier wieder an.« Als sie fertig war, klatschte er in die Hände, und die Wachen erschienen. »Bringt sie fort«, sagte er, seinen Stuhl zurückschiebend, an das verschmutzte Fenster tretend und ihr seinen Rücken zukehrend, während sie einen Augenblick lang zögerte und sich fragte, ob sie irgend etwas sagen konnte, um diese merkwürdige Vertrautheit, die noch vor wenigen Minuten herrschte, wiederzuerlangen. Aber eine Hand zerrte sie rauh zur Tür, und eine Stimme übermittelte ihr Befehle in einem Ton, den in der Vergangenheit niemand in Akbar Khans Gegenwart ihr gegenüber angeschlagen hätte.
    Die Favoritin war ohne Zweifel in Ungnade gefallen, dachte sie und warf einen letzten Blick auf die gedrungene Gestalt, die dort in die Nacht hinausstarrte, bevor sie aus dem Raum geschoben und ohne viel Federlesens zurück in ihr Gefängnis gebracht wurde.
    Was jetzt? Sie blickte auf ihre Handgelenke hinunter, die noch immer von den Silberreifen umspannt waren. Tiefstes Inneres oder nicht, in Wirklichkeit gehörte sie noch immer Akbar Khan.
    Zobayeda brachte ihr eine Schale mit geschmortem Huhn und Reis. Huhn war im Winter eine Luxusmahlzeit, die es wohl zu Ehren des Khans gab. Sie aß ohne Appetit und legte sich dann aufs Bett, nur um

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