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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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die er auf die gierigen Märkte nach England transportierte und die ihn zu einem reichen Mann gemacht hatten.
    Aber Annabel interessierte sich nur wenig für den Handel und Wandel, der ihrem Vater ein Vermögen beschert hatte. Für sie lag die ganze Spannung in den Menschen, mit denen er Handel trieb: die Khane, Herren über Leben und Tod in ihren eigenen Stämmen; die Händler, mit ihren weichen Stimmen und zugleich harten Forderungen; die Frauen, die sich von Kopf bis Fuß eingehüllt wie Schatten bewegten; die Männer aus den Bergen, schlanke, mit Turbanen versehene Krieger, die spitze Dolche an ihren Seiten trugen oder persische Krummsäbel, die so scharf waren, daß ihre Klingen im Sonnenlicht aufblitzten. Sie hatte sich selbst in der exotischen Wunderwelt der Basare verloren; in der Fruchtbarkeit der Aylags, jener wunderbaren Sommerweiden hoch oben in den Bergen, wohin die Nomaden im Frühling ihre Fettschwanzschafe, Ziegen, Rinder und Pferde zum Grasen führten, bis im September der erste Schnee fiel. Sie erbebte freudig beim Heulen der Wölfe, dem Anblick von Bärenspuren und den riesigen, plumpen Körpern der Lämmergeier, die auf der Suche nach verwesendem Fleisch über der Landschaft hingen.
    So sehr war sie in ihre Erinnerungen versponnen, daß sie den Warnruf eines der führenden Reiter nicht gleich wahrnahm. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und blickte über die geflochtene Mähne ihres Pferdes hinweg … hinein in einen Abgrund des Schreckens.
    Ghazi-Stammesangehörige waren überall, schwärmten die steilen Hänge der Hügel hinunter, sprangen von Felsen und jene auf Pferden stürmten den Pfad herunter auf George Spencers entsetzte Karawane zu. Schuß auf Schuß löste sich aus ihren Jezails, während sie ihre langen afghanischen Musketen auf die vor Angst gelähmte Gruppe richteten und Männer von ihren Pferden und Kamelen auf den Weg fielen, wo die Verwundeten von den Messern der fanatischen Angreifer gänzlich niedergemacht wurden.
    Rosalind starb durch eine Kugel, die sich zwischen ihre Schulterblätter grub, und erlebte nur einen kurzen Augenblick des Schmerzes, bevor die Unendlichkeit sie verschlang. George warf sich mit einem Schrei der Wut und Verzweiflung vom Pferd, doch ein Krummsäbel durchbohrte sein Herz, noch bevor er sie erreichen konnte, und mit seinem letzten Atemzug flüsterte er ihren Namen.
    Die schreckensvollen, unglaublichen Bilder wirbelten vor Annabels starrem Blick umher. Sie saß wie eine Salzsäule auf ihrem braunen Pony, und der rasende Triumph der Bergbewohner über die dahingemetzelten Ungläubigen, die getöteten europäischen Hunde, die Feringhees, bestürmte ihre Ohren derart, daß sie meinte, der Lärm entspringe ihrem eigenen Kopf. Um sie herum wirbelten, strömten die höllischen Szenen. Gesichter – braune, bärtige, blitzende weiße Zähne – verschmolzen miteinander und trennten sich wieder. Pferde wieherten, Pulverdampf versperrte die Sicht, und aus dem Nebel trat plötzlich ein Gesicht hervor, in dem sie instinktiv ihr Schicksal las. Ein kleiner, spitzer Bart; lange Locken drängten sich unter einer Kappe hervor; die brennenden Augen des Fanatikers. Ein Arm erhob sich hoch in die Luft, das Khyber-Messer hielt im Zenit des Bogens inne, hielt inne, um die Kraft zu sammeln, die nötig war, um ihr den Kopf von den Schultern zu trennen.
    Ihr Mund öffnete sich weit zu einem tonlosen Angstschrei. Ihre Kapuze glitt zurück. Das Mädchen erstarrte vor Grauen.
    Der Ghazi sah Augen, die die Farbe von Jade hatten, ein Gesicht von feinster Reinheit, Haare, die wie poliertes Kupfer in der Abenddämmerung glänzten. Ein grüblerischer Blick vertrieb die Blutlust aus seinen Augen, und der Dolch kehrte an seinen Platz im Gürtel zurück.
    »Akbar Khan«, hörte sie ihn murmeln, obwohl die Todesangst sie fast betäubt hatte. Dann wurde sie durch die Luft gewirbelt, ein paar riesige Hände hatten sich um ihre Taille gelegt und sie von ihrem Pony gehoben. Ihre Furcht fand Ausdruck in einem wilden Kreischen, worüber der Ghazi lachte, sie vor sich auf den Sattel warf und ihren Mantel so um sie schlang, daß ihre Arme an ihre Seiten geschnürt waren. Er brüllte etwas Unverständliches über seine Schulter zurück in Richtung des Blutbads hinter ihm, aber die Antwort, die er vielleicht erhielt, konnte Annabel nicht von den übrigen Schreien, die durch die Luft gellten, unterscheiden. Dann galoppierten sie den Pfad entlang, ein winterkündender, beißender Wind pfiff ihr um

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