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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Geiseln eindrang, schickten sich die Erwachenden darein, daß das gestern abgewendete Massaker heute stattfinden würde. Kinder fingen bei dem Anblick der bewaffneten Krieger mit ihren spitzen Helmen und gezogenen Säbeln an zu weinen. Frauen drängten die Kleinen eilends aus dem Weg, als wollten sie sie im Schatten oder hinter ihren Röcken verstecken. Die Männer, die im ersten Raum geschlafen hatten, längst all ihrer Wehrhaftigkeit beraubt, sammelten sich und bauten sich vor den Frauen und Kindern auf.
    »Was wollt ihr zu dieser Stunde?« fragte Major Pottinger in seinem holprigen Paschtu. »Sollen wir diesen Ort verlassen?«
    »Darüber entscheidet Akbar Khan«, antwortete einer der Bewaffneten. »Wir suchen Ralston, Huzoor. «
    Kit trat aus einem der hinteren Räume vor, wo er seinen Schlafplatz hatte. »Ich bin hier.«
    »Was wollt ihr von Hauptmann Ralston?« begehrte der Major zu wissen. »Er ist ein Offizier der Kavallerie Ihrer Majestät von Großbritannien.«
    »Kein besonders beeindruckender Rang mehr, Pottinger«, meinte Kit trocken. »Aber vielen Dank für den Versuch.« Er zog seinen Uniformrock zurecht, der inzwischen an ihm schlotterte, und schloß die Knöpfe der fadenscheinigen Manschetten. Aus irgendeinem Grund schien es ihm bedeutsam, seinem Schicksal so ordentlich gegenüberzutreten, wie es mit dem verbliebenen Rest möglich war. Er konnte sich jedoch nur schwer an das Fehlen des Schwertes an seiner Seite gewöhnen. Wie die anderen fühlte er sich nackt, sowohl in geistiger wie in körperlicher Hinsicht.
    »Meine Herren?« Er salutierte. »Ich bin fertig.«
    »Kit …?«
    »Danke, nein, Colin«, sagte er, seinem Freund zuvorkommend, der mit Entschlossenheit einen Schritt vorgetreten war. »Nichts ist durch dein Opfer zu erreichen, und je schneller ich diese Wilden hier rausbekomme, desto eher hören die Kinder auf zu weinen.« Er ging zur Tür, seine Eskorte hinter sich.
    Im Hof sah er zum Himmel auf, in den rings umher die gezackten Gletscher des Hindukusch ragten. Kleine Wolken stoben über den durchsichtig blauen Himmel des dämmernden Frühlingsmorgens. Die Luft roch ein wenig nach Schnee, der in den Bergen gefallen war, vermischt mit dem Duft nach erster grüner Weide, und eine kühle Brise fuhr ihm ins Haar. Was für ein wunderschöner Tag für ein Buzkashi. Alles schien so klar zu sein; er war sich jeder Faser seines Körpers bewußt; des Weges unter seinen Füßen, seiner Muskeln, die sich in der ihnen eigenen wundersamen Mechanik bewegten; des Blutes, das durch seine Adern strömte; des gleichmäßigen Schlagens seines Herzens.
    Sie erreichten eine Tür am hinteren Ende des Hofes. Der ranzige Geruch alten Gemäuers, durchtränkt von Armut und Elend, strömte ihm entgegen und besudelte das frische Versprechen des Morgens. Er hielt inne, bevor er in die Düsterkeit trat, und blickte sich ein letztes Mal um, als ob er die Szene für immer in seinem Gedächtnis bewahren wollte. Ob man Erinnerungen mit in den Tod nahm? Besser nicht, er straffte sich, Erinnerungen würden nur die Hinnahme des Urteils »Nie wieder« erschweren.
    Einer seiner Bewacher trieb ihn vorwärts, und er trat ein, bevor sie Grund hatten ihn zu stoßen. Er wußte, daß er sich bei einer Berührung nicht beherrschen könnte … nicht, bis man ihn herausforderte, und dann war er ohnehin verloren.
    Sie betraten Akbar Khans Audienzzimmer, während Kits Augen sich an den finsteren Raum nach der Helligkeit draußen gewöhnen mußten. Überall an den Wänden standen Männer, entweder mit Turbanen oder spitzen Stahlkappen, mit Messern in den nietenverzierten Gürteln oder einige auch mit Lanzen oder Breitschwertern in den Händen. Sie waren kriegerisch, nicht für sportlichen Wettkampf, gerüstet. Akbar Khan stand auf einer kleinen Estrade am hinteren Ende des Raums in einem Kettenhemd, trug einen Turban auf dem Kopf und ein Schwert in der Hand.
    »Guten Morgen, Ralston, Huzoor« ,sagte er auf englisch.
    »Guten Morgen, Akbar Khan«, hörte Kit sich mit Allerweltsstimme antworten.
    Akbar Khan wies zu einer Stelle unterhalb der Estrade, wohin Kits Bewacher ihn führten. Der Sirdar behielt seine beherrschende Position über den Raum und die anwesenden Personen bei.
    Kit stand sehr still und wünschte, er hätte Annabels Begabung zur Bewegungslosigkeit. Er glaubte nicht, daß zu diesem Zeitpunkt irgend etwas von ihm erwartet wurde, und bewahrte seine soldatische Haltung. Wenn er nur wüßte, was mit Annabel geschehen war!
    Die

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