Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
Vom Netzwerk:
geschlichen, der sogleich wieder verschwand und durch eine Mischung aus Entschlossenheit und Schrecken ersetzt wurde. »Sie kommen. Du mußt gehen. Es ist keine Zeit zu verlieren.«
    Kit konnte nichts hören außer den normalen Hintergrundgeräuschen, die aus dem Wäldchen an seine Ohren drangen, doch die Dringlichkeit ihrer Stimme war nicht zu überhören, und er bemerkte, wie er sich unwillkürlich in den Schutz der Bäume zurückzog. Außer Sichtweite, hielt er an, wobei ihm eine dichte Brombeerhecke Deckung bot, von der aus er – selber verborgen – das Seeufer überschauen konnte.
    Zwischen den Bäumen am hinteren Ende des Sees wogte eine Herde zwitschernder, schwarzgekleideter Gestalten heran. Ihre Stimmen, die besorgte und scheltende Worte auf Paschtu ausstießen, erfüllten die Lichtung, als sie auf die Frau mit den kupferfarbenen Haaren zueilten, die neben dem Haufen abgelegter Kleidungsstücke stand und in offensichtlicher Unbekümmertheit das Wasser aus ihren Haaren drückte.
    Der Beobachter zwischen den Bäumen starrte zu ihnen hinüber, zugleich verzaubert und gedankenverloren. Was war das? Wer zum Teufel war sie? Ein englisches Mädchen … eine Frau … Wie alt war sie? Neunzehn, vielleicht zwanzig Jahre … ganz gewiß nicht älter … Ein englisches Mädchen, das von einer Gruppe afghanischer Frauen mit äußerster Vertrautheit behandelt wurde. Vertrautheit, ja, aber er konnte auch noch etwas anderes entdecken, als die Frauen unvermindert mit ihrem Gezwitscher fortfuhren, während sie das Mädchen, welches das unmißverständliche Schimpfen wie auch die übrigen Aufmerksamkeiten scheinbar gleichgültig hinnahm, abtrockneten und ankleideten. Sie benahmen sich ihr gegenüber, als ob sie ihr ganz besonderer Schützling sei, ja, ihr ganz besonders wertvoller Schützling. Da er von dem wilden Ruf der Stammesfrauen wußte, hatte Kit Ralston nicht das geringste Bedürfnis, sich zu zeigen, und erkannte nun dankbar den Grund für den schroffen Platzverweis.
    Er beobachtete, wie sie sich die lose Chalvar überstreifen ließ, welche ihre langen schlanken Beine verhüllte, deren Bild noch immer sein Inneres erfüllte. Ihre Dienerinnen warfen ihr eine bestickte Jacke über den Kopf, steckten ihre Füße in Pantoffeln und bückten sich, um die Spitzen der Schuhe mit der Hose zusammenzuknöpfen. Dann hüllten die Frauen sie in einen weiten Chadri und verschleierten sie auf diese Weise vom Kopf bis zu den Füßen. Nur ihre Augen waren durch das Ru -Band, ein weitmaschiges Netz, welches in die weiße Seide hineingestickt war, hindurch sichtbar. Abgesehen von der Tatsache, daß ihre Kleidung aus einem weichen, weißen, seidigen Material bestand und jene ihrer Dienerinnen aus einem dunklen, rauhen Stoff, unterschied sie sich nun in keiner Weise von den übrigen Frauen; ihre weiße Haut und ihre glänzenden Haare waren vor jeder Versuchung verborgen.
    Kit überfiel ein Schaudern, als er sich ausmalte, was mit ihm geschehen wäre, wenn sie ihn zusammen mit ihr in ihrer Nacktheit erblickt hätten. Wer auch immer sie war, sie schien genauso wie alle Frauen des Islam den Regeln des Koran unterworfen zu sein – und solche Frauen waren nicht für die Augen von Ungläubigen bestimmt. Aber in diesem Fall mußte sie irgendeinem Mann gehören. Die Vorstellung, daß ein englisches Mädchen an einen dieser Bergbewohner gebunden war, war keine, die er lange würde ertragen können. Er wußte, daß die Khane in ihren eigenen Territorien die Herren über Leben und Tod waren. Persönlich erachtete er dies als ihre Angelegenheit, solange es ihre eigenen Leute betraf. Aber hier handelte es sich um eine Engländerin … um eine Bürgerin des britischen Weltreichs.
    Guter Gott! Es war unfaßlich. Welche Umstände auch immer zu dieser Situation geführt hatten, sie konnten nicht zugelassen werden – jedenfalls nicht von einem englischen Gentleman, der diesen Namen verdiente! Erfüllt von einer ungestümen neuen Energie, die seine vorangegangene Depression verscheuchte, eilte er zwischen den Bäumen hindurch zu seiner Patrouille zurück.
    Der Havildar erhob sich hastig, als er seinen Offizier in die Lichtung treten sah. »Dachte schon, die Ghilzai hätten Sie erwischt, Sir«, setzte der Eingeborenen-Sergeant in derbem Humor an, vermochte jedoch das in dem Scherz enthaltene Element der Furcht nicht ganz zu verbergen. Nach Abdul Alis erfahrener Meinung konnte man bei Männern, die wie Leutnant Ralston derart zu Gleichgültigkeit und

Weitere Kostenlose Bücher