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Jaeger

Jaeger

Titel: Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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erledigen. Gehen Sie los und erledigen Sie sie.«
    Die Leitung war tot. Marinas Finger umklammerten das stumme Telefon.
    Sie riss sich mit einem Ruck aus ihrer Betäubung, steckte rasch das Handy ein und hob ihre Tasche auf. Sie klopfte Jacken- und Hosentaschen ab und sah sich suchend um. Autoschlüssel. Sie hatte ihre Autoschlüssel nicht dabei. Sie hatte nicht einmal das Auto. Es musste noch in Aldeburgh stehen.
    Annis Tasche. Ohne nachzudenken, bückte sich Marina und begann darin zu suchen. Annis Wagenschlüssel lagen ziemlich weit oben. Hastig fischte sie sie heraus, trat zum Vorhang und riss ihn auf. Vor ihr stand Anni mit dem Kaffee. Vor Schreck machte sie einen Satz rückwärts.
    »Geht’s dir besser?«, fragte sie. Dann erst bemerkte sie den wilden Blick in Marinas Augen und ihre angespannte Körperhaltung.
    Marina wollte sich an ihr vorbeidrängen. »Ich muss weg.«
    Aus Angst, sich den Kaffee über die Kleider zu schütten, trat Anni einen Schritt zur Seite. »Moment mal …«
    »Ich muss weg.« Marina fühlte sich so benommen, als wäre die Welt ins Trudeln geraten und sie könnte jeden Augenblick herunterfallen.
    Anni ließ sie nicht so einfach gehen.
    »Ich … ich muss aufs Klo …«
    »Dann rufe ich die Schwester, die kann dir –«
    »Nein!« An Annis Gesichtsausdruck erkannte Marina, dass sie zu schroff gewesen war. »Nein, das … ich komme schon alleine klar.«
    »Sicher? Du siehst nicht gerade –«
    »Ich schaffe das schon.«
    »Ich kann dir auch helfen –«
    »Ich habe gesagt, ich schaffe das schon!« Sie spie Anni die Worte förmlich ins Gesicht.
    Anni fuhr zurück, als wäre sie geschlagen worden. »Ist ja schon gut. In Ordnung.«
    »Danke. Und jetzt muss ich … jetzt muss ich los.«
    Sie drückte sich an Anni vorbei und ging mit schnellen Schritten davon. Nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen, nicht loszurennen.
    Bei der Vorstellung, Phil im Stich zu lassen, hatte sie ein Gefühl im Magen, als hätte sie Glasscherben verschluckt.
    Doch der Gedanke, ihre Tochter niemals wiederzusehen, war noch tausendmal schlimmer.
    10 »Sollten wir dazu nicht lieber woanders hingehen?«
    »Wohin denn, zum Beispiel?«
    Stuart Milton zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Aufs Revier vielleicht?«
    Jessica James saß auf der Rückbank ihres Wagens. Sie hatte einen ruhigen Platz gesucht, fernab von den Fernsehteams und Reportern, die sich zwischenzeitlich am Ort des Geschehens eingefunden hatten und ihre Teleobjektive über die im Wind flatternde Absperrung hielten.
    »Es wird auch hier gehen«, gab sie zurück und musterte den neben ihr sitzenden Mann.
    An Stuart Miltons Gesicht und Händen waren Abschürfungen sichtbar, die er sich zugezogen hatte, als er Marina vom brennenden Wagen weggeholt und zu Boden geworfen hatte. Sein Wildledersakko war an einer Seite abgewetzt. Jessica fand, dass er aussah wie ein typischer Vertreter der Gattung gutsituierter bürgerlicher Touristen mittleren Alters, die es so oft nach Aldeburgh zog. Wetten, er liest den Guardian?, dachte sie bei sich. Und bestimmt geht er auch aufs Latitude Festival.
    »Ich will nur noch einige Sachen mit Ihnen durchgehen. Ein paar Einzelheiten abklären, mehr nicht.« Sie hatte ihren Notizblock aufgeschlagen und setzte sich so zurecht, dass er nicht lesen konnte, was sie aufschrieb. Erst dadurch wurde ihr bewusst, wie beengt der Innenraum des Wagens war und wie groß die erzwungene Nähe. Ihr Blick glitt kurz zu der leeren Paracetamol-Packung und den Pfefferminz-Einwickelpapierchen auf dem Beifahrersitz. Stuart Milton hatte sie mit Sicherheit ebenfalls bemerkt.
    »Erzählen Sie mir bitte alles noch mal von vorn. Schritt für Schritt.«
    Er stieß einen ungehaltenen Seufzer aus. »Muss das wirklich sein? Ich wollte mich doch nur erkundigen, wie es der Frau geht.«
    »Ihr geht es gut. Dank Ihres beherzten Eingreifens. Also. Sie gingen gerade den Weg vor dem Cottage entlang …«
    »Ja. Und dann gab es plötzlich einen Knall.« Er verstummte und legte den Kopf in den Nacken.
    Sie folgte seinem Blick, als könne sie dadurch sehen, was er gesehen hatte. Als ließe sich so feststellen, ob das, woran er sich erinnerte, den tatsächlichen Ereignissen entsprach. Nicht, dass sie ihm misstraut hätte; es war lediglich eine Angewohnheit von ihr. Eine Berufskrankheit, gewissermaßen. Sie glaubte grundsätzlich keinem Zeugen, bis seine Aussage von unabhängiger Seite bestätigt worden war.
    »In welcher Richtung waren Sie

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