Jaeger
wie Nadelstiche durch ihren Kiefer fuhren.
Michael musterte sie noch immer. Zuerst glaubte sie, dass er genau dasselbe dachte wie sie: wie unglaublich es gestern gewesen war. Dass er ihren Willen beinahe gebrochen hätte. Dass sie es gar nicht erwarten konnte, es wieder zu tun. Doch dann sah sie den Ausdruck in seinen Augen. Sie kannte ihn. Wusste, was er zu bedeuten hatte. Er dachte einzig und allein an die vor ihm liegende Aufgabe.
Ihr erster Impuls war zu rebellieren. Ein kleiner Kitzel durchrieselte sie bei dem Gedanken, gegen ihn aufzubegehren. Sie lächelte und schickte ihm ihre ganz eigene Botschaft zurück. Normalerweise mochte er es, wenn sie so etwas machte. Es war Teil ihres Spiels. Doch sie hatte in seiner Miene noch etwas anderes gelesen. Eine Warnung.
Mach jetzt kein Theater , sagten seine Augen. Das hier ist ernst.
Tu, was er will , ermahnte sie sich, sonst musst du es nachher ausbaden. Und dabei würde eine ganz andere Art von Schmerz ins Spiel kommen. Also senkte sie unterwürfig den Kopf und richtete den Blick auf den Bildschirm des Laptops. »Das hast du gut gemacht«, sagte sie anerkennend.
Die richtige Antwort. Er nickte. Sie lächelte. Spielen konnten sie später immer noch.
»Es ist hier drauf«, sagte er. »Alles, was wir brauchen, ist irgendwo hier drauf. Ich muss es nur …«
Er versuchte sich an verschiedenen Tastenkombinationen und scrollte durch mehrere Menüs. Sie sah ihm über die Schulter und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er sagte. Gab sich Mühe, Interesse zu heucheln. Was er tat, war wichtig, geradezu eine Frage von Leben und Tod. Trotzdem war der eigentliche Vorgang sterbenslangweilig.
Er hatte sich in Kolonnen aus Wörtern und Zahlen vergraben. Währenddessen ließ sie den Blick schweifen. Ihr Wohnzimmer war zu einer Kommandozentrale umfunktioniert worden. Dee hatte sich schon daran gewöhnt, das Geschäft machte es oft nötig. Und das Geschäft war wichtig. Es war ihr Leben. Sie erhob nie Einwände, wenn die teuren Möbel zur Seite gerückt und stattdessen ein Tisch samt Stühlen in der Mitte des Raums aufgestellt wurde. Trotzdem war sie jedes Mal heilfroh, wenn hinterher die ursprüngliche Ordnung wiederhergestellt war.
Sie hatten die Haussklavin in ihr Zimmer gesperrt, sie sollte nicht mitbekommen, was sie hier taten. Nur sie beide waren anwesend.
Und der Golem.
Er stand in einer Ecke nahe der Tür. Regungslos, stumm. Sein Körper war wie zu Stein erstarrt, sein Gesicht ausdruckslos, seine Augen lagen im Schatten. Wie ein Automat, der auf den nächsten Befehl wartete. Ihr Blick glitt über ihn hinweg. Ein extrem gutaussehender, wohlproportionierter Automat. Die graue Haut tat dem Gesamteindruck keinen Abbruch. Tatsächlich machte sie ihn nur noch interessanter.
Michael war ganz in den Inhalt des Laptops vertieft. Dee überließ ihn seiner Arbeit und begann langsam im Zimmer umherzuschlendern. Nach außen hin schien sie kein konkretes Ziel zu haben, tatsächlich aber stellte sie es so an, dass sie irgendwann beim Golem anlangte. Sie betrachtete ihn aus der Nähe. Er trug Jeans und T-Shirt, und der Stoff seiner Kleider spannte sich über seinem muskulösen Körper. Sie spürte das wohlbekannte Ziehen zwischen den Beinen. Der Golem sah sie nicht an, nahm in keiner Weise Notiz von ihr. Davon wurde das Ziehen nur umso stärker.
Wenn sie diese Gefühle in sich wahrnahm – und das kam oft vor –, musste sie sich unbedingt Befriedigung verschaffen. Es war eine ganz simple Sache: ein rein körperliches Begehren, eine animalische Lust, die gestillt werden wollte. Ein Grundbedürfnis, so wie der Mensch Nahrung braucht, um seinen Hunger zu stillen. Ihr Verstand schaltete sich aus, ihr Körper übernahm die Führung, und sie hörte nicht eher auf, als bis sie satt war. Normalerweise war Michael derjenige, mit dem sie dieses Bedürfnis befriedigte, aber wenn er nicht zur Stelle war, musste sie eben andere Wege finden. Andere Männer.
Ein grauhäutiger Killer wäre genau der Richtige.
Sie leckte sich die Lippen und streckte die Hand aus. Fuhr die Kontur seines Bizeps mit dem Finger nach. Er drehte sich zu ihr um. Seine Augen blickten genau in ihre. Ihr Herz begann schneller zu klopfen, und sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln. Freute sich auf das, was kommen würde.
Sie streichelte ihn weiter. Erhöhte den Druck ihres Fingers.
Er sah sie an.
»Wie schön du bist …«, flüsterte sie. »Und so stark …«
Ohne den Blickkontakt zu
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