Jaeger
cha-a-ange …« Dann Gelächter. »Guten Morgen. Gut geschlafen?«
»Wo ist meine Tochter? Geht es ihr gut?«
»Alles zu seiner Zeit. Heute ist der große Tag. Machen Sie, was wir sagen, machen Sie es genau so, wie wir wollen, und Sie bekommen Ihre Tochter zurück. Unversehrt. Wenn das kein Angebot ist.«
»Nein.« Marina würgte Zorn und Angst hinunter. Sie musste versuchen, sich ruhig und beherrscht zu geben. Professionell. »Ich bin bereit, Ihnen zu helfen, und ich werde es auch tun. Aber vorher will ich ihre Stimme hören. Das muss sein. Holen Sie sie ans Telefon. Jetzt sofort.«
»Ist nicht drin.«
Marinas Herz klopfte so heftig, dass sie kaum verstehen konnte, was sie sagte. Ihre Hand zitterte. »Dann kann ich nichts für Sie tun, so leid es mir tut.«
Schweigen am anderen Ende. »Zu dumm, dass Sie die Sache so sehen.«
»So ist es aber.« Marina war kurz davor zu hyperventilieren. All die Worte, die ihr während der Nacht durch den Kopf gegangen waren, drängten nun aus ihr hervor. »So läuft es und nicht anders. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie lassen mich mit ihr sprechen, damit ich mich davon überzeugen kann, dass sie lebt und es ihr gutgeht, und danach mache ich, was Sie von mir verlangen. Oder …«
»Was?«
»Ich alarmiere die Polizei. Jetzt gleich. Und erzähle ihnen alles.«
Ein scharfes Luftholen. »Ich denke nicht, dass Sie das tun würden.« Die Person am anderen Ende gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, aber Marina hörte es ganz deutlich: Sie hatte ihren Widersacher aus der Fassung gebracht.
»Oh doch.« Sie sprach fest und mit absoluter Überzeugung, auch wenn es in ihrem Innern ganz anders aussah. »Und das wissen Sie auch. Sie wissen, dass Ihnen gar nichts anderes übrigbleibt. Also holen Sie sie jetzt ans Telefon. Bitte.« Beim letzten Wort kippte ihre Stimme. Sie hoffte, dass dies unbemerkt geblieben war.
Stille. Nein … sie haben aufgelegt , durchfuhr es sie. Ich werde nie wieder von ihnen hören. Jetzt wird Josephina ganz sicher sterben. Und das ist alles meine Schuld. Ich habe versucht, schlauer zu sein als sie. Das ist alles meine –
»Mami?«
»Jo? Josie, mein Liebling? Ich bin hier …«
»Mami! Mami! Hier ist …« Plötzlich war sie wieder weg, und es drangen erstickte Geräusche durch die Leitung.
»Josie! Josie, hör mir zu. Ich hole dich da raus, ich …«
Die Stimme meldete sich zurück. Im Hintergrund hörte Marina das gedämpfte Schluchzen ihrer Tochter. »Also. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass wir sie haben. Und dass es ihr gutgeht.«
»Was haben Sie mit ihr gemacht? Was zum Teufel haben Sie mit ihr gemacht?«, schrie sie ins Handy, ohne sich darum zu kümmern, ob jemand im Hotel sie hören konnte.
»Nichts!«, brüllte die Stimme zurück. Sie hatte Mühe, sich über dem Geschrei von Marinas Tochter Gehör zu verschaffen. »Gar nichts. Es geht ihr gut, sie ist putzmunter. Und das wird sie auch bleiben, wenn Sie machen, was wir sagen.«
Marina rang um Fassung. »Und wenn ich es getan habe, bekomme ich sie zurück und dann … ist der Spuk vorbei?«
»Dann ist der Spuk vorbei.«
Marina atmete schwer. Adrenalin flutete ihren Körper. »Das möchte ich Ihnen auch geraten haben. Denn wenn Sie lügen oder ihr etwas antun, wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, dann werde ich Sie finden und Sie umbringen.« Noch während sie dies sagte, wurde Marina bewusst, dass sie noch nie in ihrem ganzen Leben von etwas so überzeugt gewesen war wie von diesen Worten. Sie spürte den Zorn ihres Vaters in sich.
»Gut. Von mir aus. Wie auch immer.« Ihr Gesprächspartner hatte offensichtlich Mühe, die Oberhand zu behalten. »Wir schicken Ihnen die Koordinaten fürs Navi. Fahren Sie sofort los.«
Die Leitung war tot. Wenige Sekunden später ging eine Kurznachricht ein, und Marina machte sich auf den Weg.
26 Dee Sloane sah Michael Sloane dabei zu, wie dieser Jeff Hibberts Laptop an der Kante seines Schreibtischs ausrichtete.
»So«, sagte er. »Dann wollen wir mal …«
Er tippte das Passwort ein und lehnte sich zurück. Das Bild auf dem Monitor veränderte sich, als das System ihm Zugriff gewährte. Lächelnd sah er zu ihr auf. Sie erwiderte das Lächeln und zuckte prompt zusammen.
Ihr Gesicht schmerzte noch von seinen Schlägen. Ihr ganzer Körper schmerzte. Aber es waren gute Schmerzen. Aufregende, prickelnde Schmerzen. Sie tastete mit der Zunge durch ihren Mundraum und entdeckte einen lockeren Zahn. Wackelte daran. Genoss die Schmerzen, die dabei
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