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Jaeger

Jaeger

Titel: Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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machte keine Anstalten, sich zu setzen. »Wo ist das Mädchen?«
    »Im Haus. Ihr geht’s gut.«
    Tyrell starrte ihn an. Ganz ruhig, ohne zu blinzeln. Jiminys Blick hingegen schweifte die ganze Zeit umher und prallte von den Wänden des Wohnwagens ab wie eine Pistolenkugel in einem stählernen Tresorraum. Irgendwann landete er auf dem Rührei.
    »Iss. Du brauchst Energie. Großer Tag heute.«
    »Wo ist das Mädchen?«
    »Ihr geht’s gut!«, brüllte Jiminy. Seine Stimme klang, als würde Dampf aus einem schlecht schließenden Schnellkochtopf entweichen. »Du … du musst dir um sie keine Gedanken machen. Mit ihr ist alles in Ordnung. In bester Ordnung.«
    »Was ist mit den Hunden?«
    »Was ist mit den Hunden?«, fauchte Jiminy ungehalten.
    »Sie wollten ihnen das Mädchen zum Fraß vorwerfen.«
    Jiminy stieß einen ungehaltenen Seufzer aus. »Das wollten wir nicht.«
    »Doch, das wollten Sie. Die Frau in der Küche hat’s gesagt. Ich hab’s selbst gehört.«
    »Niemand hat vor, das Mädchen den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.«
    »Ich will nicht, dass Sie das kleine Mädchen den Hunden zum Fraß vorwerfen.«
    »Sie wird den Hunden nicht zum Fraß vorgeworfen!«
    »Wenn Sie das machen, dann helfe ich Ihnen nicht.«
    Jiminy Grille klappte den Mund zu und starrte ihn an. Er kam ihm dabei ganz nahe. »Dem Mädchen geht es gut«, wiederholte er, eisern um Beherrschung bemüht. »Du musst dir um sie keine Sorgen machen.«
    Tyrell starrte zurück.
    »Hör zu, wegen gestern Abend. Ich war … wütend. Aber jetzt ist zwischen uns wieder alles in Butter, stimmt’s? Ist doch so, oder?«
    Er wollte, dass Tyrell ihm zustimmte, aber Tyrell war nicht sicher, ob er dazu bereit war. Allerdings hielt er es nicht für klug, seine Zweifel offen auszusprechen, also sagte er vorsichtshalber gar nichts.
    Sein Schweigen wurde als Zustimmung gedeutet.
    »Gut. Also. Sorgen wir dafür, dass es auch so bleibt.« Jiminy Grille atmete aus. Er schien erleichtert, dass er Tyrells Revolte abgewendet und die Situation so gut gemeistert hatte. Mit einem Lächeln deutete er auf die Eier.
    »Iss auf. Dein großer Tag heute.«
    »Warum?«
    Wieder seufzte Jiminy und rollte unauffällig mit den Augen, als wollte er vor Tyrell verbergen, dass er diesen insgeheim für einen Schwachkopf hielt. »Wie gesagt. Heute ist der Tag, an dem alle deine Fragen beantwortet werden. Heute ist der Tag, an dem du rausfinden wirst, wer du bist.«
    »Ich weiß, wer ich bin. Sie haben es mir doch gesagt. Tyrell.«
    »Ja«, sagte Jiminy Grille, bevor er auf Tyrell zutrat und ihm wie ein Freund oder ein aufdringlicher Gebrauchtwagenhändler den Arm um die Schultern legte. »Ganz genau. Tyrell. Aber das ist bloß ein Name. Heute bekommst du deine Identität. Dein Vermächtnis. Wer du bist, wer du warst und – am allerwichtigsten – wer du von jetzt an sein wirst.«
    Tyrell schwieg. Er musste noch immer an das Mädchen und die Hunde denken.
    »So ist’s recht.« Der andere Mann lachte, drückte Tyrells Schulter und verfiel dann plötzlich in tiefsten Cockney-Dialekt. »Halt dich an mich, Kumpel, und nächstes Jahr um diese Zeit sind wir Millionäre.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und lachte. »Ach, was sag ich – morgen um diese Zeit.«
    Tyrell wusste nicht, ob er da mitmachen wollte. Er wünschte, er wäre nach seiner Entlassung direkt in die Resozialisierungseinrichtung gegangen, statt zu Jiminy Grille ins Auto zu steigen. Er wünschte …
    Er wünschte, er säße wieder im Gefängnis.
    Sein Freund nahm den Arm weg, bewegte sich auf die Tür zu und wies dabei zum Tisch. »Iss deine Eier.« Dann war er fort. Nicht ohne die Tür hinter sich abzusperren.
    Tyrell betrachtete den Teller mit seinem Frühstück und den inzwischen lauwarmen Tee. Dann setzte er sich an den Tisch und nahm die Gabel in die Hand. Er wollte nicht, hatte aber keine Wahl.
    Er aß. Es schmeckte genauso, wie es aussah.
    28 Marina wollte soeben die Hotellobby betreten, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte.
    An der Rezeption standen zwei Polizisten in Uniform.
    Normalerweise hätte sie keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, schließlich arbeitete sie selbst bei der Polizei. Doch jetzt zögerte sie. Noch vor kurzem hätte sie Polizisten niemals als Bedrohung, sondern als Verbündete wahrgenommen, aber eine solche Einstellung konnte sie sich jetzt nicht mehr leisten. Nicht wenn das Leben ihrer Tochter auf dem Spiel stand.
    Sie suchen nach mir , war ihr allererster Gedanke. Sie

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