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Jaeger

Jaeger

Titel: Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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unterbrechen, biss sie sich mit aller Kraft auf die geschwollene Unterlippe. Ein Schmerz durchzuckte sie, und sie genoss ihn. Sie bearbeitete die wunde Stelle mit den Zähnen, bis sie anfing zu bluten. Dann biss sie noch einmal fester zu, bis der Geschmack heißer Pennys ihren Mund füllte. Heißer, feuchter Pennys. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Schneidezähne, öffnete dann ihre Lippen und lächelte. Ihre blutbefleckten Zähne glänzten.
    Der Golem schaute erst in ihre Augen, dann auf ihre Zähne, bevor er unbeteiligt den Blick abwandte.
    Er reagierte völlig emotionslos, was die Zurückweisung nur noch schmerzhafter machte. Sie hätte sich schämen sollen angesichts einer solchen Demütigung. Das tat sie auch. Und das Kribbeln und Ziehen wurde noch stärker.
    »Du bist ein Roboter«, sagte sie leise und undeutlich, den Mund voller Blut. »Ein großer menschlicher Roboter.« Sie kicherte. »Du bist so stark. Da bekommt man ja fast Angst.« Ihr Atem beschleunigte sich. »Würdest du mir Angst machen? Wenn ich es will?« Sie trat näher. »Ja?«
    Er sagte nichts. Ihre Finger strichen seitlich an seinem stahlharten Oberkörper entlang.
    »Wenn ich darum bettle –«
    »Dee.«
    Sie drehte sich um. Michael war nicht länger mit dem Laptop beschäftigt, sondern starrte zu ihr herüber. Er sah verärgert aus. Das war nicht Teil ihres Spiels.
    Mit gesenktem Kopf ging sie zu ihm und nahm wieder ihren Platz an seiner Seite ein.
    »Was sagt man?«
    »Entschuldigung.« Ihre Stimme war ein atemloses Wispern.
    Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Dee beschloss, dass es das Klügste wäre, sich ebenfalls darauf zu konzentrieren. Pflichtschuldig richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Bildschirm, doch auf dessen glatter Oberfläche sah sie nichts als ihr eigenes Spiegelbild.
    Allerdings zeigte es nicht ihr normales, jetziges Gesicht, sondern ihr altes, das von früher. Es war aus der Tiefe an die Oberfläche getrieben. Ihr Herz sank wie ein Stein, den man in einen See geworfen hatte. Das Kribbeln zwischen ihren Beinen war verschwunden. Es gelang ihr nicht, den Blick abzuwenden, so grauenhaft war das, was sie sah.
    »Dee.«
    Wieder Michael. Er wusste, was los war.
    »Schau mich an, Dee.«
    Sie riss sich vom Bildschirm los und sah ihn an. Er legte ihr die Hände auf die Arme. Hielt sie fest.
    »Das ist nicht real«, sagte er. »Das bist nicht du.«
    Sie hörte seine Worte, aber sie glaubte ihm nicht. Das tat sie nie. Wenigstens nicht beim ersten Mal.
    »Was ist das?«, fragte er sie beschwörend.
    »Es ist nicht real. Das bin nicht ich.« Ihre Stimme war heiser und leblos.
    »Du bist Dee Sloane. Wer bist du?«
    »Dee. Sloane.«
    »Gut. Vergiss das niemals.«
    Er ließ sie los. Mit hängendem Kopf stand sie da. So reglos wie der Golem.
    »Er hat es versteckt«, sagte Michael und zeigte auf den Laptop. »Aber es ist hier irgendwo. Es ist nur eine Frage der Zeit, dann haben wir sie.«
    Sie wusste, dass von ihr eine Antwort erwartet wurde. »Gut.«
    »So ist es besser.«
    Er widmete sich wieder seiner Arbeit.
    Dee stand einfach nur da, ganz in ihrer eigenen Welt versunken.
    27 Tyrell hatte nur schwer in den Schlaf gefunden. Immer wieder hatten die Hunde angefangen zu bellen, und ihm war die ganze Zeit das Bild im Kopf herumgespukt, wie sie das kleine Mädchen aus dem Haus zerfleischten. Also war er in regelmäßigen Abständen aufgestanden, um aus dem Fenster zu sehen und sich zu vergewissern, dass es nicht wirklich passierte. Von seinem Fenster aus war der Zwinger nur zum Teil einsehbar, ein Rest Unsicherheit blieb also, aber er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass er das Mädchen, wäre sie da draußen gewesen, bestimmt gehört hätte. Zumindest hoffte er das. Kurz vor Morgengrauen hatte er das Bett endgültig verlassen und dauerhaft Posten am Fenster bezogen, um Wache zu halten. Es war gerade vollständig hell geworden, als Jiminy Grille auftauchte.
    »Hand aus dem Schritt, raus aus den Federn, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte.« Jiminy Grille lachte.
    Tyrell lachte nicht mit.
    »Ich hab dir Frühstück gebracht.« Jiminy Grille stellte ein altes kunststoffbeschichtetes Tablett auf den Tisch. Tyrell warf einen Blick darauf. Ein Becher mit irgendetwas Braunem darin. Ein paar Scheiben Toast und ein Berg Rührei, der auf dem Weg vom Haus zum Wohnwagen zu einer gelben Mini-Version des Ayers Rock erstarrt war.
    Genau wie im Knast , war Tyrells erster Gedanke.
    »Hau rein«, forderte Jiminy Grille ihn auf.
    Tyrell

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