Jaeger
Wenn irgendwas passiert und ich Sie brauche, müssen Sie umgehend zurückkommen. Überlassen Sie die Sache Suffolk.«
Sie hatte genickt, und er war gegangen.
Phil Brennan hatte die Operation überstanden und lag inzwischen in einem privaten Krankenzimmer. Er war nach wie vor ohne Bewusstsein, und Anni hatte ihn nicht sehen dürfen. Dazu bestehe keinerlei Notwendigkeit, erklärte ihr der Arzt. Der Patient würde auf längere Zeit hin nichts zu sagen haben.
»Wie stehen die Chancen, dass er wieder ganz gesund wird?«
Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Kommt ganz darauf an, was Sie mit ›gesund‹ meinen. Er hat schwere Verbrennungen erlitten und wird sich möglicherweise einigen Hauttransplantationen unterziehen müssen. Wir hoffen natürlich, dass das nicht nötig werden wird. Seine Kopfverletzung ist nicht so gravierend, wie wir anfangs dachten. Wir haben die Schwellung reduziert und ihn unter strenge Beobachtung gestellt, für den Fall, dass er Anzeichen einer Embolie oder Thrombose zeigt. Insgesamt bin ich optimistisch. Wir haben ihn fürs Erste noch sediert. Morgen sehen wir weiter.«
Sie bedankte sich und wollte zu dem Klappbett zurückkehren, das man für sie im Gang aufgestellt hatte. Weit kam sie allerdings nicht. Am Ende des Ganges hörte sie das Quietschen von Gummireifen. Ein Rollstuhl bog um die Ecke und kam langsam auf sie zu.
Es dauerte eine Weile, doch dann erkannte Anni, wer in dem Rollstuhl saß. Eileen. Eileen Brennan.
Sie sah furchtbar aus. Überall Verbände und Blutergüsse. Ihre Haut war bleich, und sie hatte tiefdunkle Ringe unter den Augen. Sie schob sich tapfer weiter vorwärts, bis sie mit Anni auf einer Höhe war.
»Wo ist er?«, fragte sie und sah sich um. »Sie haben doch gesagt, er liegt hier unten.«
»Eileen? Eileen Brennan?«
Eileen hob den Kopf. Anni sah etwas Wildes in ihrem Blick. Sie fragte sich, wie sich diese Frau überhaupt aufrecht halten konnte. Sie musste einen ungeheuren Kampfgeist besitzen.
»Wer sind Sie?«
»Anni Hepburn. Ich arbeite mit Phil zusammen.«
»Oh.« Sie ließ den Kopf hängen, als die Information zu ihr durchdrang. Dann hob sie ihn wieder. »Liegt er hier irgendwo?«
Anni deutete auf eine geschlossene Tür. »Da drin, aber es darf niemand zu ihm rein.«
»Warum nicht?«
»Sie sagen, er braucht noch Ruhe. Dass es besser ist, wenn er sich ungestört erholen kann.«
»Ungestört.« Eileen nickte, dann sah sie in beide Richtungen den Gang entlang. Sie wirkte orientierungslos, als wäre sie plötzlich aufgewacht und wundere sich jetzt, wie sie hergekommen war. Als hätte sie keine Ahnung, wo sie sich befand.
Anni war den Umgang mit verstörten Menschen gewohnt. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Hat man Ihnen gesagt, Sie sollen hier runterkommen? Hat man Ihnen den Rollstuhl zur Verfügung gestellt?«
Eileen sah sie nur an.
»Wohl eher nicht.« Noch ein Lächeln. »Respekt.«
Eileen gab einen Laut von sich, der als ein Lachen begann, dann aber in ein gepresstes Keuchen umschlug. »Sie haben gesagt, dass ich ihn morgen sehen kann. Dass ich mich ausruhen soll. Aber er ist doch mein Sohn …« Ihre Stimme drohte zu brechen. Ihre Finger umklammerten zitternd die Armlehnen des Rollstuhls. »Ich muss ihn sehen. Er ist … alles …« Ein Beben ging durch ihren Körper, als ihr die Tränen kamen. Sie ließ ihren Kopf sinken, als könne sie es nicht ertragen, so gesehen zu werden.
Anni ging neben ihr in die Hocke. »Kommen Sie, Eileen, ich bringe Sie zurück auf Ihre Station.« Sie wiederholte, was der Arzt ihr kurz zuvor gesagt hatte. Eileen sah hoch, und in ihren feuchten, traurigen Augen glomm ganz schwach verzweifelte Hoffnung auf. »Morgen können Sie bestimmt zu ihm.«
»Wirklich? Sie … Sie glauben, er …«
»Sie sind zuversichtlich. Und jetzt kommen Sie, ich bringe Sie zurück.«
Eileen ließ sich von ihr schieben. Unterwegs redeten sie. Anni fühlte die Last von Eileens Verlust und ihrer Trauer.
»Don ist tot … tot … und ich bin … Ich kann Phil nicht auch noch verlieren …«
»Ich weiß. Aber wir sollten auf das Beste hoffen. Er ist mein Boss. Noch dazu einer der wenigen, die ich leiden konnte.«
Eileen hörte ihr gar nicht zu, sie war ganz in ihrer Trauer versunken.
Anni brachte sie bis zu ihrer Station, wo eine Schwester sie in Empfang nahm, und kehrte dann zu ihrem Klappbett zurück. Hoffte, dass sie ein wenig Schlaf finden und morgen alles besser werden würde.
Obgleich es ihr schwerfiel, daran zu
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