Jäger der Dämmerung
waren und sie schnitten.
Jude ging zu ihr, löste ihre Fäuste und sah, dass die Schnitte ziemlich tief waren. »Erin …«
Sie riss sich von ihm los. »Du bist hier fast draufgegangen!« Sie wies auf die Wände, von denen die Farbe abblätterte, und die zischelnden Kerzen. Zum Glück hatte jemand, vermutlich Dee, das Radio gekillt, so dass die scheußliche Musik und die Trommeln verstummt waren.
»Fast zählt nicht«, murmelte er und erkannte an ihrem Blick, dass er das nicht hätte sagen dürfen.
»Ich sah dich auf dem Boden.« Todestraum. »Überall Blut um dich und deine Augen weit offen. Tot!« Sie schüttelte den Kopf. »Sag mir nicht, dass das nicht zählt.«
»Häh? Was hat sie gesehen?«, fragte Tony baff. Er war aufgestanden und rieb sich das Kinn.
Zane winkte ab. »Das erklär ich dir später, Mann, auch wenn ich glaube, dass du es lieber nicht wissen willst.«
Ihre Stimmen waberten über Jude hinweg. Erin. Er wollte, nein, er musste sie in den Armen halten. Aber die anderen …
Ach, egal!
Er packte Erin und zog sie an seine Brust. Dort hielt er sie fest, als sie sich wehrte, und als sie den Kopf hob, küsste er sie.
Sie biss ihn … dann erwiderte sie den Kuss. »Mistkerl«, flüsterte sie.
Ein Beben durchfuhr sie.
Oder vielleicht auch ihn. Schwer zu sagen. Sie öffnete den Mund, und er drang mit der Zunge in sie ein. Das hier, das war es, was er brauchte: sie schmecken, sie fühlen.
Sein. Für immer sein.
»Äh, ihr zwei, also, wenn ihr jetzt anfangt, hier rumzumachen, bin ich weg«, warnte Dee sie.
Jude blickte auf. Rummachen mit Erin war etwas, für das er jederzeit zu haben war.
Doch es wurde bald dunkel, und der Mörder wartete.
»Du willst wirklich hingehen, stimmt’s?«, fragte Erin, deren Hände lose seine Arme umfassten.
Er nickte. Für sie würde er hingehen und den Mistkerl stoppen, auf die eine oder andere Art.
Sie überlegte kurz. »Dann komme ich mit.«
»Auf keinen Fall!« Nein, sie durfte nicht.
»Es ist mein Leben, Jude.« Sie umklammerte seine Arme fester. »Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht, und ich guck mir das nicht länger stillschweigend an. Erst recht lass ich dich nicht allein mit diesem Freak, der darauf wartet, dich in Stücke zu reißen.«
Ihr Duft stieg ihm zu Kopfe und erregte ihn. Überdies brachte eine perverse Mischung aus Lust und Furcht sein Herz zum Rasen. Lust, weil er immerzu nach Erin verlangte, selbst nachdem er gerade dem Tod von der Klinge gesprungen war. Und Furcht, weil er nicht wollte, dass Erin sich Gefahr aussetzte. Sie konnte Dämonen überwältigen, aber wenn sich der Stalker verwandelte, starb sie. »Du kannst nicht mit mir kommen.« Ein Befehl würde bei ihr nicht wirken, aber Logik sollte die Anwältin überzeugen können. »Erin, er würde deinen Duft schon erkennen, ehe wir ihn eingekreist haben, und dann macht er sich aus dem Staub.« Womit sie wieder bei null wären.
Nein. Es musste heute noch enden.
»Ähm, das entspricht eher nicht dem Polizeiprozedere«, bemerkte Tony.
»Die Polizei hält sich sowieso raus.« Jude ließ Erin los und trat zurück. Er hatte geglaubt, es wäre so einfacher, sein Verlangen zu zügeln. Von wegen! »Night Watch übernimmt ab hier. Der Gestaltwandler erwartet mich und den Dämon, und wir werden dort sein.«
»Tja, nicht ganz.« Zane räusperte sich. Als Jude zu ihm sah, fiel ihm auf, dass Zanes Augen vollständig schwarz waren. »Er kriegt dich und zwei Dämonen, das Arschloch da drüben und mich.« Sein Lächeln hatte einen brutalen Einschlag. »Ihr irren Gestaltwandler bildet euch ein, dass ihr alles auf eine Meile Entfernung erschnüffelt, aber wenn er mich riecht, versteht er nur Dämon, sonst nichts.«
Jude grinste. Zane war stets für ihn da, allzeit bereit, anderen in den Hintern zu treten und schnurstracks in die Finsternis zu marschieren. Dann blickte Jude wieder zu Erin. »Zu zweit schaffen wir den Wolf.« Der andere Gestaltwandler rechnete nicht mit der Bedrohung, weder mit Zane noch mit einem kampfbereiten Jude, und das wäre sein Untergang.
Erin war eine herausragende Kämpferin, wie sie erst unlängst bewiesen hatte. Doch jetzt war er dran. »Das ist es, was ich mache«, sagte er. »Es ist Zeit, dass ich diese Jagd beende.«
Er sah ihr an, wie sehr sie mit sich rang. Wut und Angst tobten in ihr. Ja, das kannte er sehr gut.
Jude drehte sich zu dem Dämon, der ihn in den sicheren Tod befördern sollte. »Wie heißt du?«
Der Dämon kniff den Mund zusammen.
»Ah, will er,
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