Jäger der Dämmerung
denn Momente wie dieser waren nie von Dauer. Ganz besonders nicht für sie.
Nach einer Weile sackte Jude auf sie. Ein leichter Schweißfilm bedeckte seine Haut. Doch Erin ließ nicht los. Noch nicht.
Noch nicht.
Ein Quietschen ertönte unter ihr, gefolgt von einem komischen Knarren. Und dann …
Sie fielen zu Boden, als der Tisch unter ihnen zusammenbrach.
Erin blieb die Luft weg, und Holzstücke stachen ihr in den Rücken und die Arme.
»Verflucht!« Jude wurde knallrot. »Erin, Süße, alles in Ordnung?« Er zog sie hoch, hob sie in seine Arme und tastete sie auf mögliche Wunden ab.
Sie hatten den Tisch durchgebrochen.
Jude war noch in ihr, und immer noch durchfuhren sie Wonneschauer.
Außerdem war der Tisch im Eimer.
Erin lachte ein hilfloses, heiseres Lachen.
»Ich wollte nicht …«, sagte Jude kopfschüttelnd.
Doch sie küsste ihn und musste wieder lachen.
Jude entfuhr ein tiefer, rumpelnder Laut, und kleine Fältchen erschienen in seinen Augen- und Mundwinkeln. So sah sie ihn zum allerersten Mal lächeln.
Und sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie zuletzt gelacht hatte. Richtig gelacht, nicht dieser gespielte Quatsch, der einem so oft entfuhr.
Erin blickte zu Jude auf. Der Mann war wahrlich umwerfend. Das hätte sie gleich erkennen müssen. Wie konnte sie anfangs glauben, er sähe grausam oder kalt aus?
Sie malte seine Narbe mit einer Fingerspitze nach.
Sehr sexy.
Und sie hatte eine entsetzliche Angst, dass sie sich in ihn verliebte.
Erin war nicht nach Hause gekommen.
Er starrte zu dem dunklen Haus hinauf, jeder Muskel angespannt vor langsam pulsierender Wut.
Er hatte erwartet, dass sie nach Hause rennen würde. Dass ihr Beschützer wieder da wäre, um Wache zu halten. Schließlich hatte er Pläne mit dem Arschloch. Er war mehr als bereit gewesen, den Jäger auszuweiden.
Aber sie war nicht hier. Und er auch nicht.
Ein Knurren regte sich in seiner Brust. Das entsprach nicht seinem Plan!
So sollte es nicht sein, verdammt nochmal. Wieso konnte sie ihm nie ein bisschen Dankbarkeit erweisen? Warum verarschte sie ihn?
Und sollte sie sich von dieser Katze berühren lassen …
Seine Zähne knallten zusammen.
Der Tigerwandler würde bald sterben. Einen langen, schmerzhaften Tod.
Und dabei würde Erin zusehen – von Anfang bis Ende. Dann verstand sie endlich. Sie würde begreifen, wie sehr er sie liebte, dass er alles für sie täte.
Wenn er ihr das Blut anbot, würde sie lächeln und sein werden.
Für immer.
Zehntes Kapitel
Judes Finger strichen über ihre Brust, streiften sanft die Spitze und glitten unter die runde Wölbung. Behutsam und vorsichtig berührte er ihre Narbe.
Erin zuckte nicht zusammen, wich ihm nicht aus, was sie ziemlich beeindruckend fand. Schluckend sah sie zu Judes Schlafzimmerdecke auf. Er war überall um sie, hüllte sie in seinen Duft, in seinen Körper. Ein gefährlicher Gestaltwandler. Ein Mann, der seine Feinde in Stücke zu reißen vermochte.
Aber sie hatte sich nie sicherer gefühlt.
Sein Daumen fuhr über das erhabene Narbengewebe. »Erzähl mir davon.«
Kein Weglaufen mehr. Das hatte sie entschieden. Nie mehr weglaufen, sich nie mehr verstecken. Am besten fing sie gleich damit an. »Er hat mich einmal erwischt, ist in mein Haus eingebrochen, in mein Schlafzimmer.« Sie war von seiner Berührung aufgewacht: von kalten Klauen auf ihrem Gesicht.
Jude wurde merklich angespannt, doch weder sagte er etwas, noch nahm er seine Hände von ihr.
Noch nicht.
»Ich weiß wirklich nicht, wie er es anstellt, aber er verbirgt seinen Geruch.« Hinterhältiger Schweinehund. »Vielleicht mit Kräutern oder so. Oder der Dreckskerl kann sogar das mittels Willenskraft kontrollieren. Ich weiß es nicht.« Sie bekam eine Gänsehaut. »Heute konnte ich seinen Geruch wahrnehmen, weil er wollte, dass ich es tat. Das ist die Art, wie er seine Spiele treibt.«
»Er hat dich gelockt, und du bist geradewegs zu ihm gelaufen.« Wut vibrierte in seiner Stimme.
»Ich bin es leid, immerzu wegzulaufen«, sagte sie. »Das kann ich nicht in alle Ewigkeit. Er tötet einfach weiter und jagt mich, und ich kann nicht mehr fliehen!« Die Regeln in diesem perversen Spiel änderten sich, auf die eine oder andere Weise.
Sie brauchte die Wärme von Jude an sich, konnte jedoch nicht länger ruhig daliegen. Also setzte sie sich auf, rutschte an den Bettrand und zog ein Laken mit sich, in das sie sich wickelte, ehe sie aufstand und ihn ansah. »Du weißt, dass ich mich nicht verwandeln
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