Jäger der Macht: Roman (German Edition)
Verschwinder am nächsten lag. Er fühlte sich wie ein Stück Abfall, hatte gebrochene Rippen, und sein halber Körper war in Bandagen eingewickelt. Er würde etliche Narben davontragen.
» Der Hauptmann«, sagte Marasi mit harter Stimme, » sollte froh über Großherr Waxilliums Hilfe sein – er hätte sogar von vornherein um sie ersuchen sollen.« Sie saß neben ihm auf der Bank und beugte sich schützend vor ihn.
» Er scheint in der Tat froh zu sein«, sagte Reddi. Als Waxillium ihn genauer betrachtete, bemerkte er, dass der Polizist immer wieder zu Hauptmann Brettin hinüberschaute. Er schien verblüfft über die Ruhe, mit der sein Vorgesetzter auf die Ereignisse reagierte.
Waxillium war gegenwärtig zu erschöpft, um sich mit dieser Absonderlichkeit auseinanderzusetzen. Es war einfach nur schön zu hören, dass etwas zu seinen Gunsten geschah.
Reddi wurde von einem der anderen Polizisten gerufen und ließ die beiden allein. Marasi legte die Hand auf Waxilliums unverletzten Arm. Er spürte ihre Sorge um ihn beinahe körperlich – an der Art nämlich, wie sie zögerte und die Stirn krauszog.
» Das haben Sie gut gemacht«, sagte Waxillium. » Sie waren es, die Miles zu Fall gebracht hat, Herrin Marasi.«
» Aber ich bin dafür nicht blutig geschlagen worden.«
» Wunden verheilen wieder«, sagte Waxillium, » selbst bei einem so alten Pferd wie mir. Ich glaube, es war qualvoll, hilflos mitansehen zu müssen, wie er mich angegriffen hat. Wäre ich an Ihrer Stelle gewesen, ich hätte es bestimmt nicht ausgehalten.«
» Sie hätten etwas unternommen. Sie sind nun einmal so. Sie sind genauso, wie ich es mir vorgestellt habe, und gleichzeitig sind Sie noch viel realer.« Sie sah ihn mit großen Augen an und schürzte die Lippen. Es war, als wollte sie noch etwas sagen. Er sah die Absicht in ihren Augen.
» Es würde nicht funktionieren, Herrin Marasi«, sagte er freundlich. » Für Ihre Hilfe bin ich Ihnen dankbar. Sehr dankbar sogar. Aber das, was Sie sich für uns beide erhoffen, ist nicht zu machen. Es tut mir leid.«
Sie errötete, was nicht gerade unerwartet kam. » Natürlich. Ich wollte so etwas gar nicht andeuten.« Sie zwang sich zu einem Lachen. » Wie sind Sie denn auf diesen Gedanken gekommen? Ich meine, das ist doch lachhaft.«
» Dann bitte ich um Entschuldigung«, sagte er. Natürlich wussten sie beide, was sie mit diesen Worten meinten. Er verspürte ein tiefes Bedauern. Wäre ich zehn Jahre jünger …
Aber es war nicht nur das Alter. Es war auch das, was diese Jahre mit ihm gemacht hatten. Wenn man zusehen musste, wie die Frau, die man liebte, durch die eigene Revolverkugel starb, und wenn man beobachten musste, wie ein alter Gefährte und geachteter Gesetzeshüter zum Bösen hinüberwechselte, dann veränderte einen das. Es zerriss ihn innerlich. Und solche Wunden verheilten nicht annähernd so leicht wie die körperlichen.
Diese Frau war jung und voller Leben. Sie hatte etwas Besseres verdient als jemanden, der fast nur aus Narben bestand, eingewickelt in eine dicke Haut aus sonnengegerbtem Leder.
Schließlich kam Hauptmann Brettin zu ihnen herüber. Er bewegte sich so steif wie immer und trug seinen Polizistenhut unter dem Arm. » Großherr Waxillium«, sagte er mit monotoner Stimme.
» Hauptmann.«
» Ich habe den Senat gebeten, Ihnen für Ihre heutigen Bemühungen die stadtweite Ordnungsbefugnis zu verleihen.«
Waxillium blinzelte überrascht.
» Falls Ihnen das nicht klar sein sollte«, fuhr Brettin fort, » möchte ich betonen, dass Ihnen dies die Erlaubnis zu Nachforschungen und Verhaftungen gibt, ganz so, als wären Sie ein Mitglied der Polizei. Dies reicht aus, um Handlungen wie die der letzten Nacht zu autorisieren.«
» Das ist sehr … rücksichtsvoll von Ihnen«, sagte Waxillium.
» Das war der einzige Weg, Ihre Taten zu entschuldigen, ohne den ganzen Polizeibezirk in Verlegenheit zu bringen. Ich habe den Antrag zurückdatiert, und wenn wir Glück haben, wird niemand erkennen, dass Sie in der letzten Nacht auf eigene Rechnung gearbeitet haben. Außerdem will ich nicht, dass Sie das Gefühl haben, allein arbeiten zu müssen. Diese Stadt könnte aus Ihrer Erfahrung großen Nutzen ziehen.«
» Bei allem gebotenen Respekt, Hauptmann«, sagte Waxillium, » das ist ein ziemlicher Wandel im Vergleich zu Ihrer früheren Haltung.«
» Ich hatte die Gelegenheit, meine Meinung zu ändern, ja«, sagte Brettin. » Dazu sollten Sie wissen, dass ich bald in Rente gehen werde.
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