Jäger der Macht: Roman (German Edition)
Die Lokomotivführer halten ihren Zug an und geraten vermutlich in Panik. Die Phantomlokomotive verschwindet einfach, bevor sie einen Blick darauf werfen können. Sie fahren weiter, aber wenn sie ihr Ziel erreicht haben, ist einer der Waggons leer. Er ist noch verschlossen, und es gibt keinerlei Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Doch alle Waren darin sind weg.«
» Also hat niemand die Diebe gesehen«, sagte Waxillium.
» In den letzten Fällen ist es anders gewesen«, erklärte Marasi, die nun etwas lebhafter wurde. » Sie haben angefangen, auch Passagierwagen auszurauben. Wenn der Zug wegen der Phantomlok auf den Geleisen anhalten muss, springen die Männer in die Wagen, durchkämmen sie und sammeln von den Fahrgästen alle Juwelen und Brieftaschen ein. Dann nehmen sie eine Frau als Geisel. Sie drohen damit, sie umzubringen, sollte ihnen jemand folgen, und verschwinden. Und der Frachtwaggon ist dann ebenfalls ausgeraubt.«
» Merkwürdig«, meinte Waxillium.
» Ja«, sagte Marasi. » Ich glaube …«
» Meine Liebe«, unterbrach Harms sie, » du langweilst den Großherrn Ladrian.«
Marasi errötete und senkte den Blick.
» Es war überhaupt nicht langweilig«, wandte Waxillium ein und tippte mit dem Finger gegen seine Teetasse. » Es …«
» Ist das etwa eine Kugel da, zwischen Ihren Fingern?«, fragte Steris und deutete darauf.
Waxillium schaute herunter und bemerkte, dass er die Patrone zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her rollte. Er schloss die Faust darum, bevor seine Erinnerungen zurückkehren konnten. » Das ist gar nichts.« Er warf Wayne einen finsteren Blick zu.
» Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie Ihre unkonventionelle Vergangenheit ganz hinter sich gelassen haben, Großherr Ladrian?«, fragte Steris.
» Oh, er ist sich vollkommen sicher«, meinte Wayne und grinste. » Sie brauchen keinesfalls zu befürchten, dass er unkonventionell sei. In Wirklichkeit ist er sogar ausgesprochen langweilig. Unglaublich, grotesk und irrsinnig langweilig. Ein Bettler, der in der Schlange vor einer Suppenküche steht und seine tägliche Rattenration verlangt, ist viel aufregender. Es …«
» Danke, Onkel«, sagte Waxillium trocken. » Ja, Steris, meine Vergangenheit habe ich hinter mir gelassen. Jetzt kümmere ich mich nur noch um meine Pflichten als Oberhaupt des Hauses Ladrian.«
» Sehr gut«, sagte sie. » Wir brauchen als Paar eine förmliche Einführung in die feine Gesellschaft. Sie sollte bei einem öffentlichen Ereignis stattfinden.«
» Wie wäre es mit dem Yomen-Ostling-Hochzeitsmahl?«, fragte Waxillium geistesabwesend. Weiter so. » Gerade heute Morgen habe ich eine Einladung dazu erhalten.«
» Eine ausgezeichnete Idee«, sagte Harms. » Wir sind ebenfalls eingeladen worden.«
Weiter. Waxillium griff in seinen rechten Ärmel und holte heimlich einige Stahlspäne aus dem Beutel, den er dort trug. Er warf sie in seinen Tee und nahm einen Schluck. Es verschaffte ihm keinen großen Vorrat, reichte aber aus.
Er verbrannte den Stahl, und die vertrauten blauen Linien erschienen um ihn herum. Sie deuteten allesamt auf Metallquellen in der Nähe.
Außer auf die in seinen Fingern.
Aluminium, begriff er. Kein Wunder, dass die Kugel so leicht ist.
Aluminium und einige seiner Legierungen waren allomantisch inaktiv; man konnte weder gegen sie drücken noch an ihnen ziehen. Außerdem war es sehr teuer. Es kostete sogar mehr als Gold und Platin.
Die Kugel war dazu bestimmt, Münzwerfer und Taumler zu töten – also Männer wie Waxillium. Das verursachte ihm eine Gänsehaut, und er packte die Kugel noch fester. Es hatte Tage gegeben, in denen er seinen besten Revolver gegen ein paar Aluminium-Kugeln eingetauscht hätte, auch wenn er von keiner Legierung wusste, aus der man eine Kugel mit guten ballistischen Eigenschaften herstellen konnte.
Wo?, fragte er Wayne stumm. Wo hast du sie gefunden?
Wayne deutete mit dem Kopf auf die Gäste, die nun Waxillium ansahen.
» Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Großherr Ladrian?«, fragte Steris. » Ich kenne einen guten Zinkberater, falls Sie emotionale Hilfe benötigen.«
» Äh … nein, danke. Es geht mir recht gut, und ich glaube, es ist eine sehr ergiebige Unterhaltung gewesen. Sind Sie nicht auch dieser Meinung?«
» Das kommt darauf an«, sagte sie und stand auf. Offenbar betrachtete sie dies als das Ende des Gesprächs. » Die Hochzeitsfeier findet morgen statt, glaube ich. Darf ich mich darauf verlassen, dass Sie bis dahin den
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