Jäger der Macht: Roman (German Edition)
möglicherweise Aluminium versandt und die darauf anfallenden Steuern vermeiden wollen, indem er die Ware als eine andere deklariert hat. Nach diesen Unterlagen sind seine angegebenen Aluminiumlieferungen in den letzten beiden Jahren wesentlich geringer gewesen als in den Jahren davor. Aber seine Schmelzhütten produzieren weiterhin. Ich verwette meine beste Waffe darauf, dass Augustin Tekiel – mit Hilfe einiger Eisenbahnarbeiter – ein nettes und höchst gewinnträchtiges Schmuggelunternehmen betreibt. Deswegen hat er zunächst kein Aufhebens um den Diebstahl gemacht, denn er wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«
Waxillium schrieb einige Notizen auf das Papier. Dann hob er die Teetasse an die Lippen und nickte. » Das erklärt auch den langen Zeitraum zwischen dem ersten und dem zweiten Raub. Die Banditen haben das Aluminium verwertet. Vermutlich haben sie einen Teil auf dem Schwarzmarkt verkauft, und aus dem Rest haben sie dann Kugeln hergestellt. Aber wozu brauchen sie diese Aluminiumgeschosse?«
» Zum Töten von Allomanten?«, meinte Tillaume. Er hatte sich daran gemacht, das Zimmer aufzuräumen, während Waxillium in den Kontobüchern las.
» Ja.« Über drei der Diebstähle zeichnete Waxillium Gesichter; sie stellten die Geiseln dar.
» Herr?«, fragte Tillaume und trat neben ihn. » Glauben Sie, die Gefangenen sind Allomanten?«
» Ihre Namen sind veröffentlicht worden«, sagte Waxillium. » Alle vier Frauen stammen aus reichen Familien, aber von keiner ist bekannt, dass sie allomantische Fähigkeiten besäße.«
Tillaume schwieg. Das bedeutete gar nichts. Viele Allomanten aus der feinen Gesellschaft redeten nicht über ihre Fähigkeiten. Es gab zahlreiche Situationen, in denen sie sich als hilfreich erweisen konnten. Wenn man zum Beispiel ein Aufwiegler oder ein Besänftiger war – und damit die Gefühle anderer Menschen beeinflussen konnte –, dann wollte man nicht, dass die anderen davon wussten.
In anderen Fällen hingegen wurde mit der Allomantie geradezu geprotzt. Ein Kandidat für den Sitz der Obstbauern im Senat hatte sich voller Stolz darauf berufen, dass er eine Kupferwolke sei und daher nicht mit Zink oder Messing angegriffen zu werden vermochte. Der Kandidat hatte dann einen erdrutschartigen Sieg errungen. Die Leute hassten es nämlich, wenn jemand ihren Anführer insgeheim manipulieren konnte.
Waxillium schrieb nun seine Mutmaßungen an den Rand des Papiers: Motive, mögliche Wege, auf denen die Waggons so rasch hatten entladen werden können, Ähnlichkeiten und Unterschiede der Überfälle. Er hielt inne und fügte in Waynes saloppem Stil ganz oben zwei Strichmännchen als Banditen hinzu. Es war zwar verrückt, aber er fühlte sich besser, wenn sie da waren.
» Ich wette, alle Geiseln sind insgeheim Allomanten«, sagte Waxillium. » Die Diebe hatten Aluminiumkugeln für Münzwerfer, Taumler und Schläger dabei. Falls wir einen der Diebe erwischen sollten, wette ich gutes Geld darauf, dass er Aluminiumbänder in seinem Hut trägt, damit niemand an seinen Gefühlen ziehen oder gegen sie drücken kann.« Das war auch bei den oberen Zehntausend der Stadt nicht unüblich, wohingegen sich die einfachen Bürger so etwas nicht leisten konnten.
Bei den Überfällen ging es nicht um Geld, sondern um die Geiseln. Das war auch der Grund dafür, dass kein Lösegeld gefordert worden war und nirgendwo Leichen auftauchten. Die Überfälle sollten nur den wahren Grund für die Geiselnahmen verdecken. Die Opfer waren keine zufälligen Geiseln. Die Verschwinder sammelten Allomanten. Und allomantische Metalle – bisher waren unbearbeiteter Stahl, Zinn, Eisen, Zink, Messing, Weißblech und sogar ein wenig Biegmetall gestohlen worden.
» Das ist gefährlich«, flüsterte Waxillium. » Sehr gefährlich.«
» Herr …«, sagte Tillaume. » Wollten Sie nicht die Kontobücher durchsehen?«
» Ja«, meinte Waxillium geistesabwesend.
» Und die Mietverträge für die neuen Büros im Eisendorn?«
» Das kann ich später am Abend machen.«
» Wann denn, Herr?«
Waxillium hielt inne und warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Abermals war er überrascht, wie viel Zeit inzwischen vergangen war.
» Herr«, sagte Tillaume, » habe ich Ihnen je von den Tagen berichtet, an denen Ihr Onkel zum Pferderennen gegangen ist?«
» Onkel Edwarn war ein Spieler?«
» Allerdings. Das wurde zu einem großen Problem für das Haus, nachdem er zum Großherrn aufgestiegen war. Er hat den größten Teil seiner
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