Jäger der Macht: Roman (German Edition)
Die meisten Menschen, denen man begegnet, sind weder das eine noch das andere.«
Waxillium runzelte die Stirn. » Da bin ich anderer Meinung. Die meisten Menschen scheinen mir im Grundsatz gut zu sein.«
» Das kommt auf die Definition an. Ich glaube, dass man sowohl das Gute als auch das Böse zielstrebig verfolgen muss, wenn man wirklich etwas erreichen will. Die Menschen heutzutage … ich habe den Eindruck, dass sie nicht aus eigener Entscheidung, sondern nur aufgrund ihrer Trägheit gut und manchmal auch böse sind. Sie handeln so, wie es ihre Umgebung von ihnen erwartet.
Es ist so, als ob … na ja, stellen Sie sich eine Welt vor, in der alles vom gleichen sanften Licht erhellt wird. Alle Orte, ob drinnen oder draußen, werden von einem einheitlichen Licht beschienen, das unveränderbar ist. Wenn in dieser Welt des allgemeinen und gleichen Lichts plötzlich jemand ein Licht hervorbringt, das bedeutend heller ist, dann wäre das eine bemerkenswerte Sache. Und wenn es jemandem gelingen sollte, einen Raum zu schaffen, in dem es dunkler ist, dann wäre auch dies bemerkenswert. Es kommt also nicht darauf an, wie stark das ursprüngliche Licht ist. Die Geschichte geht in jedem Fall auf.«
» Die Tatsache, dass die meisten Menschen anständig sind, macht ihren Anstand für die Gesellschaft als Ganzes nicht weniger wertvoll.«
» Ja, ja«, gestand sie ein und errötete. » Und ich will damit nicht sagen, dass ich mir wünsche, sie wären weniger anständig. Aber … diese hellen Lichter und die dunkleren Orte faszinieren mich, Großherr Waxillium – besonders wenn sie auf dramatische Weise von der Norm abweichen. Wie kommt es zum Beispiel, dass ein Mann, der in einer grundsätzlich guten Familie aufgewachsen ist – und von grundsätzlich guten Freunden umgeben war, eine gute Arbeitsstelle und einen bescheidenen Wohlstand hatte –, plötzlich damit anfängt, Frauen mit Kupferdrähten zu erwürgen und ihre Leichen in den Kanälen zu versenken?
Und denken Sie daran, dass die meisten Männer, die ins Rauland gehen, das allgemeine Gefühl der Abgestumpftheit übernehmen. Aber einige andere – wenige bemerkenswerte Personen – beschließen, die Zivilisation mit dorthin zu nehmen. Hundert Männer, die davon überzeugt sind, dass jedermann es halt so macht, sind mit den gröbsten und verabscheuungswürdigsten Handlungen einverstanden. Aber ein Mann sagt Nein dazu.«
» Es ist keineswegs so heldenhaft, wie es klingt«, sagte Waxillium.
» Ich bin sicher, dass Sie es nicht so sehen.«
» Haben Sie je die Geschichte der ersten Verhaftung gehört, die ich vorgenommen habe?«
Sie errötete. » Ich … ja. Sagen wir einfach, dass sie mir nicht unbekannt ist. Es war Peret der Schwarze. Ein Vergewaltiger und Allomant – ein Weißblecharm, wenn ich mich recht erinnere. Sie sind in eine Gesetzeshüterstation spaziert, haben sich die Tafel im Aushang angesehen, sein Bild abgerissen und eingesteckt. Drei Tage später sind Sie mit ihm zurückgekommen; er lag quer über dem Sattel Ihres Pferdes. Von allen Männern, die steckbrieflich gesucht wurden, haben Sie sich den Schwierigsten und Gefährlichsten ausgesucht.«
» Er hat das meiste Geld gebracht.«
Marasi runzelte die Stirn.
» Ich habe mir die Tafel mit den Steckbriefen angesehen«, erklärte Waxillium, » und zu mir selbst gesagt: › Irgendeiner dieser Kerle wird mich wahrscheinlich eines Tages töten. Also suche ich mir den aus, der das meiste wert ist.‹ Ich habe das Geld gebraucht. Außer Dörrfleisch und ein paar Bohnen hatte ich schon seit drei Tagen nichts mehr gegessen. Und später kam dann Taraco.«
» Einer der größten Banditen unserer Zeit.«
» Ich hatte gehofft, durch ihn zu neuen Stiefeln zu kommen«, sagte Waxillium. » Einige Tage zuvor hatte er einen Schuster überfallen, und ich dachte, wenn ich diesen Mann schnappe, könnte ich mir dadurch ein Paar neue Stiefel besorgen.«
» Ich war der Meinung gewesen, Sie hätten ihn ausgesucht, weil er eine Woche vorher in Faradane einen Gesetzeshüter erschossen hatte.«
Waxillium schüttelte den Kopf. » Davon habe ich erst erfahren, nachdem ich ihn abgeliefert hatte.«
» Oh.« Erstaunlicherweise lächelte sie. » Und was war mit Harrisel Hart?«
» Da ging es um eine Wette mit Wayne«, erklärte Waxillium. » Sie wirken nicht besonders enttäuscht.«
» Das macht alles viel wirklicher, Großherr Waxillium«, sagte sie. » Ich muss es aufschreiben.« Sie suchte in ihrer Handtasche herum und holte
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