Jäger der Macht: Roman (German Edition)
einen Block sowie einen Bleistift hervor.
» Was hat Sie motiviert?«, fragte Waxillium, als sie sich Notizen machte. » Studieren Sie, weil Sie eine Heldin sein möchten, so wie in den Geschichten?«
» Nein, nein«, sagte sie. » Ich wollte nur etwas über diese Helden erfahren.«
» Sind Sie sicher?«, fragte er. » Sie könnten zur Gesetzeshüterin werden und ins Rauland gehen. Dann wäre es Ihnen möglich, diese Geschichten am eigenen Leibe zu erleben. Glauben Sie nicht, dass das unmöglich ist, nur weil Sie eine Frau sind. Die feine Gesellschaft wird Sie das zwar glauben machen, aber hinter den Bergen hat Ihr Geschlecht keine Bedeutung mehr. Da draußen müssen Sie keine Spitzenkleider tragen oder wie eine Blume duften. Sie können sich einen Revolver umgürten und Ihre eigenen Regeln aufstellen. Vergessen Sie nicht, dass die Erhobene Kriegerin selbst eine Frau war.«
Sie beugte sich vor. » Darf ich Ihnen etwas verraten, Großherr Waxillium?«
» Nur wenn es etwas Anzügliches, Persönliches oder Peinliches ist.«
Sie lächelte. » Ich mag Spitzenkleider und den Duft von Blumen. Ich mag es auch, in der Stadt zu leben, wo ich mich aller modernen Annehmlichkeiten bedienen kann. Ist Ihnen klar, dass ich mir zu jeder Tages- und Nachtzeit Terris-Essen bestellen kann und es mir sogar gebracht wird?«
» Unglaublich.« Das war es wirklich. Er hatte nicht gewusst, dass das möglich war.
» Wie sehr ich es auch liebe, über das Rauland zu lesen, und obwohl ich es gern einmal besuchen würde, glaube ich doch nicht, dass es mir gefiele, dort zu leben. Ich komme nicht gut mit Dreck, Ruß und einem allgemeinen Mangel an persönlicher Hygiene zurecht.« Sie beugte sich vor. » Um ganz ehrlich zu sein, ich habe keine Schwierigkeiten damit, Männer wie Ihnen das Tragen von Revolvern an der Hüfte und das Erschießen von Menschen zu überlassen. Macht mich das zu einer schrecklichen Verräterin an meinem eigenen Geschlecht?«
» Das glaube ich nicht. Sie sind allerdings ziemlich gut im Schießen.«
» Auf Sachen zu schießen finde ich in Ordnung. Aber auf Menschen?« Sie erzitterte. » Ich weiß, dass die Erhobene Kriegerin ein Vorbild für Frauen ist, die sich selbst verwirklichen wollen. Wir haben Seminare darüber an der Universität, und ihre Hinterlassenschaften sind in die Gesetze eingearbeitet. Aber ich will wirklich keine Hose anziehen und so sein wie sie. Manchmal fühle ich mich deswegen wie ein Feigling.«
» Das ist schon in Ordnung«, erklärte er. » Sie müssen Sie selbst sein. Aber nichts davon erklärt, warum Sie Rechtswissenschaften studieren.«
» Oh, ich will die Stadt verändern«, gab sie eifrig zurück. » Allerdings bin ich der Meinung, dass die Methode, mittels schnell sich bewegender Metallstücke Löcher in die Verbrecher zu stanzen, schrecklich unrationell ist.«
» Aber sie macht Spaß.«
» Ich will Ihnen etwas zeigen.« Sie kramte noch ein wenig in ihrer Handtasche herum und holte schließlich einige gefaltete Blätter Papier hervor. » Ich habe vorhin davon gesprochen, dass viele Menschen nur auf ihre Umgebung reagieren. Erinnern Sie sich an unser Gespräch über das Rauland und daran, dass es dort mehr Gesetzeshüter für eine bestimmte Anzahl von Einwohnern gibt als hier bei uns? Und dennoch gibt es dort mehr Verbrechen. Das ist das Ergebnis der Umgebung. Sehen Sie hier.«
Sie gab ihm einige der Blätter. » Das ist ein Bericht«, sagte sie. » Ich stelle ihn gerade zusammen. Darin geht es um die Beziehung zwischen der Natur eines Verbrechens und der Umgebung. Sehen Sie, hier diskutiere ich die Hauptfaktoren, die in einigen Sektoren der Stadt zu einem Rückgang der Kriminalität geführt haben. Es handelt von der Anstellung von Polizisten, der Hinrichtung von Verbrechern und dergleichen mehr. Das alles ist von mittlerer Wirksamkeit.«
» Und was ist das da ganz unten?«, fragte Waxillium.
» Sanierung«, sagte sie mit einem breiten Lächeln. » In diesem Fall hat ein reicher Mann – es war Großherr Joschin persönlich – einige Grundstücke in einem der weniger angesehenen Stadtbezirke gekauft. Er hat dort renoviert und aufgeräumt. Sofort sank die Verbrechensrate. Die Einwohnerschaft hat sich nicht verändert, wohl aber ihre Umgebung. Nun ist die Gegend eine der sicheren und ehrbaren in der Stadt.
Das nennen wir die Zerbrochene-Fenster-Theorie. Wenn jemand in einem Haus ein zerbrochenes Fenster sieht, ist die Gefahr groß, dass er einbrechen oder andere unerlaubte
Weitere Kostenlose Bücher