Jäger der Nacht (German Edition)
wussten das nur zu gut – vor nicht einmal einem Jahr hatte ihnen ein medialer Serienmörder eine junge Frau namens Kylie genommen, und ihre Blutsbrüder, die SnowDancer-Wölfe, hätten ebenfalls fast eine Frau verloren.
Brenna, die entführte und gefolterte Wölfin, war trotz aller Bemühungen Saschas und der anderen Heiler immer noch zutiefst verstört. Vaughn konnte das gut verstehen – er war einer der Jäger gewesen, die den Mörder damals gestellt und hingerichtet hatten, er hatte dem Bösen ins Gesicht gesehen, wusste, was Brenna berührt hatte, zu welchen Gräueltaten Mediale fähig waren.
Faith konnte ganz anders sein, als sie schien. Solange sie das nicht wussten, konnte Vaughn seinen Reaktionen nicht trauen. Im Allgemeinen hatten Mediale zwar Schwierigkeiten, die Gedanken von Gestaltwandlern zu beeinflussen, aber Sascha hatte bewiesen, dass nichts unmöglich war. Die Frau seines Rudelführers hatte ihm inzwischen einiges beigebracht, dennoch war er nun mal kein Medialer, während Faith sogar eine Kardinalmediale war.
Er folgte seiner Beute ins Haus und beobachtete, wie die beiden Frauen in der Mitte des Raumes zusammentrafen. Seine Hand fuhr über die Tätowierung an seinem Oberarm – seine Loyalität für die DarkRiver-Leoparden war felsenfest und hatte ihren Ursprung in einem grausamen Verrat.
Die Leoparden hatten ihm geholfen, als er alle und alles verloren hatte. Lucas hatte ihm die Hand gereicht und die Freundschaft mit ihm hatte ihn schließlich aus seiner wilden, alles verzehrenden Wut befreit. Er würde sein Leben für dieses Alphatier geben und bis zu diesem Augenblick hatte nichts und niemand diese ausschließliche Ausrichtung infrage gestellt. Faith war das innerhalb weniger Stunden gelungen, und das machte ihn noch misstrauischer, was seine Reaktionen betraf.
Faith war körperlich und geistig so erschöpft, dass sie sofort einschlief, als ihr Kopf das Kissen berührte. Doch die Visionen kamen wieder. Nichts konnte sie aufhalten, wenn sie Faith finden wollten.
Dunkelheit streifte ihr Bewusstsein. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie erkannte diese Dunkelheit wieder. Sie war nicht angenehm, Faith wollte nicht hinschauen. Doch die Dunkelheit wollte gesehen werden. Es bereitete ihr auf eine verdrehte Art Vergnügen, und Faith konnte das sogar verstehen, denn das Vergnügen entsprang nicht ihrem eigenen Geist, sondern der Dunkelheit. In ihren Visionen war Faith die Dunkelheit. Dieser Umstand hätte ihr Angst gemacht, wenn sie so etwas wie Angst hätte spüren können. Aber das konnte sie natürlich nicht, denn so hatte Silentium sie geprägt.
Noch drückte die Dunkelheit sie nicht nieder. Sie fühlte sic h … zufrieden. Im Augenblick waren alle Bedürfnisse befriedigt, der Blutrausch gestillt. Aber dann sah sie ein Stück in die Zukunft. Sie konnte die Augen ebenso wenig davor verschließen, wie sie aufhören konnte zu atmen.
Ersticken.
Folter.
Tod.
Sie konnte das Hässliche nicht länger ertragen und versuchte, sich zurückzuziehen. Aber die Dunkelheit ließ das nicht zu. Ihr Herz schlug unregelmäßig und viel zu schnell. Ihr logischer Medialengeist versuchte ihr zwar zu sagen, dass das da nicht geschehen konnte, aber er kam nicht dagegen an. Tief in ihrer Seele schrie Faith, denn sie wusste, es konnte geschehen.
Manchmal ließen einen die Visionen nicht wieder los. Niemals wieder. Dann wurde man vollkommen verrückt und nur noch vollkommen verdrehte Teile des Verstands blieben zurück. Faith griff nach der Dunkelheit, aber es gab nichts, woran sie sich festhalten, wogegen sie kämpfen konnte. Die Dunkelheit war überall und nirgends, ein Gefängnis, aus dem sie nicht ausbrechen konnte. Ihr rasender Herzschlag verlangsamte sich, während sie alle Energie darauf verwandte, einen Ausweg zu finden. Doch sie prallte nur gegen eine weiße Wand.
Jemand berührte sie und der körperliche Reiz erschreckte sie so, dass die Verbindung zur Vision riss. Sie schnappte nach Luft, schlug die Augen auf und sah in ein Paar nicht ganz menschliche Augen. Nach einem weiteren zitternden Atemzug wurde ihr bewusst, dass zwei Hände auf ihren Oberarmen lagen. Hautkontakt. Ihr Top war schweißdurchtränkt, und wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte sie eine Überlastungsreaktion haben müssen, aber stattdessen sagte sie: „Nicht loslassen.“ Ihre Stimme klang rau. „Nicht loslassen, sonst stürze ich wieder ab.“
Vaughn griff fester zu, der Ausdruck in Faiths Augen beunruhigte ihn. Sie
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