Jäger der Nacht (German Edition)
flackerten und dann ein sanftes Schwarz annahmen, viel weicher als die reine Schwärze nach ihren Visionen. Er kniete sich neben das Bett, fuhr mit den Fingern unter ihre Haare und nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Du fühlst dich wie eine Frau an.“ Wie meine Frau.
Er senkte den Kopf und küsste sie. Ein keuscher Kuss für ihn, nur eine Kostprobe, wo er doch schlemmen wollte, aber sie stöhnte und klammerte sich an ihn, sekundenlang. Dann zog sie sich zurück. Er fluchte unterdrückt, aber rau und deutlich. Es würde nicht hinhauen, wenn Faith nicht mehr als einen unschuldigen Kuss ertragen konnte – Berührung war ein Grundpfeiler seines Daseins.
Nachdem er als Kind jene Woche in der Wildnis verbracht hatte, hatten die DarkRiver-Leoparden nur durch Berührung wieder Zugang zu ihm bekommen. Den ersten Monat hatte er in Katzengestalt geschlafen, umgeben von anderen mit Fell bedeckten Körpern. Wenn er keine Berührungen spürte, wurde er immer aggressiv, immer mehr zum Tier, die Katze kam an die Oberfläche und begrub den Mann in sich. Normalerweise konnte das Rudel helfen, aber jetzt wollte er, dass jemand anders ihn streichelte.
„Vaughn.“ Faith ließ ihre Stimme unterwürfig klingen, überhaupt nicht auf Konfrontation aus. „Vaughn, du hast die Krallen ausgefahren.“ Sie konnte sie an ihrer Kopfhaut und ihrem Gesicht spüren und hatte genug Angst, um es zuzugeben. Ihr primitives Selbst reagierte, das es schon vor Silentium, vor der Sozialisation gegeben hatte. Es wollte nur überlebe n – ganz egal, wie hoch der Preis dafür war.
Ein geistiger Schock hätte das Raubtier, das sie gefangen hielt, zwar lähmen, aber ihm auch dauerhaft schaden können. Diesen Gedanken ertrug sie nicht. „Tu mir bitte nicht weh, Vaughn.“ Bewusst hatte sie wieder seinen Namen benutzt. „Ich muss mich bei dir sicher fühlen können.“ Und sie war so unvernünftig, sich genau jetzt auch sicher zu fühlen.
Er war zur Raubkatze geworden, aber seine Krallen lagen nur leicht auf ihrer Haut auf, taten weder weh noch verletzten sie. Doch sie wusste, dass diese Kontrolle an einem dünnen Faden hing, auf dem der Jaguar in Vaughns Augen gerade entlangspazierte. „Du würdest es dir nie verzeihen, wenn du mir wehtun würdest.“
„Das würde ich nie tun.“ Seine Stimme klang rau, menschlich und tierisch zugleich. „Fass mich an!“
Sie wollte schon ablehnen, ließ es dann aber bleiben. Warum bat er sie gerade jetzt darum? Nun gut, sie würde das schon selbst herausfinden. Sie unterdrückte ihren instinktiven Refle x – Kampf oder Flucht ? – , schloss die Augen und atmete tief ein und aus, um ihren Geist zu klären. Der wilde, erdige Geruch von Vaughn drang in sie ein und ordnete ihre chaotischen Gedanken. Warum verlangte ein Gestaltwandler nach Berührung, wenn er die Kontrolle verloren hatte? Weil er glaubte, das würde ihn wieder zur Vernunft bringen. Aber wenn diese Folgerung nun falsch war?
„Ich vertraue dir.“
Sie war sich seiner ausgefahrenen Krallen äußerst bewusst, als sie sich langsam vorbeugte und ihn auf den Mund küsste. Er fühlte sich heiß an, ursprünglich, ganz einfach männlich. Sofort schlug ihr Gehirn Alarm. Schon bevor Vaughn zum Raubtier geworden war, war dieser Abend zu viel für sie gewesen. Ihr Verstand warnte sie unmissverständlich vor der großen Gefahr, sich aufzulösen. Sei’s drum. Sie würde Vaughn nicht fallen lassen. Er hatte sie aus dem Albtraum gerettet – nun musste sie mindestens ebenso viel für ihn tun.
Ihre Zähne ritzten unabsichtlich seine Unterlippe und sein Knurren ergoss sich in ihren Mund. Sie erstarrte. In diesem Augenblick schnappten scharfe Zähne nach ihrer Unterlippe und nahmen genießerisch Besitz davon. Tief in ihr glühte etwas auf und ihr brennender Geist verschmolz mit der Glut ihres Körpers.
Ihr Magen verkrampfte sich, Schweiß glitzerte auf ihrer Haut, sie hatte ihre Hände in Vaughns Haaren vergraben, spürte seine Kopfhaut unter ihren Fingerspitzen. Hitze und Berührung, Verlangen und Begierde, Kraft und Energie spülten in einer großen Welle all ihre Dämme fort. Doch plötzlich wurde Lust zu Schmerz, wurde ihr schwarz vor Augen.
Vaughn spürte sofort, dass etwas in Faith zerbrach. Seine Krallen hatten sich längst zurückgezogen und er löste sich von ihr, weil sie es anscheinend nicht konnte. „Faith.“
Ihr Atem ging stoßweise, als sie die Augen öffnete und er die harte Schwärze darin sah. „Es bringt mich um.“ Ihre Worte
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