Jäger der Nacht (German Edition)
bestätigten nur das Unvermeidbare.
Zorn schien seine neu gewonnene Selbstkontrolle wieder zu gefährden. „Nein, wird es nicht.“ Er stand auf und beobachtete, wie sie sich in der Mitte des Bettes auf die Seite legte. Ihre Augen waren die ganze Zeit auf ihn gerichtet. „Hat es geholfen?“
„Ja.“ Er schmeckte sie noch auf seinen Lippen.
„Zumindest bin ich dafür stark genug.“
„Du kannst alles ertragen. Noch vor kurzem konntest du fast gar nichts ertragen und jetzt kannst du küssen und dich küssen lassen.“ Er kletterte wieder aufs Bett. Und obwohl all seine Instinkte dagegensprachen, hielt er genügend Abstand zu ihr, damit es nicht wieder zu viel für sie wurde.
„Ich wünschte, ich wäre stark genug, um mehr zu tu n … mehr zu sein.“ Ihre Stimme war nur ein Flüstern, aber die Katze hörte deutlich einen Anflug heftigen Zorns heraus. Gut so.
„Du kannst in die Zukunft sehen, Faith. Das macht dich so außergewöhnlich.“
Überraschenderweise rückte sie ein paar Zentimeter näher. „Bleib, bis ich wieder ganz da bin. Die dunklen Visionen könnten zurückkehren und meine Schilde sind im Moment zerbrochen.“
Mit anderen Worten, sie fürchtete sich. Wenn sie Furcht spürte, dann konnte sie auch Lust spüren. „Habe ich dir jemals Grund zu der Annahme gegeben, ich würde dich verlassen, selbst wenn du mich darum bitten würdest?“
„Wirst du morgen Abend auf mich warten? Ich weiß, dass ich von fünf Tagen gesprochen habe, aber die Visionen kommen zu schnell hintereinander. Ich denke, ich kann dafür sorgen, dass mich niemand hier vermisst.“
„Sei vorsichtig.“ Ihr mächtiger Clan hatte bestimmt seine Verbindungen. Ein kleiner Verdacht genügte, und der Rat würde diese wertvolle Mitarbeiterin so weit wegsperren, dass man sie nur unter großem Blutvergießen würde befreien können. Blut zu vergießen schreckte ihn nicht, aber er wollte nicht, dass Faith im Kreuzfeuer verletzt würde. „Schlaf jetzt, Rotfuchs. Ich pass auf dich auf.“
Ihre Augen schlossen sich und kurz darauf spürte er, wie die Angst von ihr wich. Er bewachte ihren Schlaf. Aus Sicht der Medialen konnte er ihr auf der körperlichen Ebene nicht helfen, wenn ihr Geist betroffen war, aber er hatte nun schon zweimal die hässliche Fratze des Wahnsinns gesehen und gerochen, der sie in seinen Fängen hielt. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie so lange in Sicherheit sein würde, wie er die Dunkelheit fernhalten konnte.
Er blieb bei ihr, bis sie im Morgengrauen die Augen aufschlug.
12
Als sie aufwachte, sah Faith gerade noch, wie Vaughn sich durch das Oberlicht schob. Er war so lebendig, so stark und so exotisch, dass sie einfach nur fasziniert war.
„Was machst du bloß mit mir?“, flüsterte sie, nachdem er schon lange verschwunden war.
Letzte Nacht war ihre Konditionierung aufgebrochen und sie hatte etwas gefühlt. Aber sie hatte einen hohen Preis dafür bezahlt – ihr Verstand hatte buchstäblich ausgesetzt, als sie in den Schlaf geglitten war. Und sie hatte Schmerzen gespürt, schreckliche Schmerzen. Sie hatte Vaughn nicht das ganze Ausmaß gezeigt, denn irgendwie wusste sie, es würde ihn verletzen. Aber nun ließ sie die Erinnerung an die Qualen zu, an die kalte Leere, mit der ihr Gehirn Stück für Stück abschaltete.
Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte sie auf die Gestaltwandler, hatte sie auf Vaughn reagiert. Sie hatte nicht nur zugelassen, dass er sie dazu brachte, etwas zu fühlen, sondern hatte sogar die Möglichkeit erwogen, Silentium zu durchbrechen. Jetzt wusste sie es besser. Die Sperren konnten nicht so einfach überwunden werden. Sie hatte zwar ein paar nicht so wichtige Verbote gebrochen, hatte etwas Berührung und ein paar Gefühle aushalten können. Aber ihr Versuch, tiefer zu gehen, war mit grausamer und schneller Konsequenz bestraft worden.
Offensichtlich hatte man die Konditionierung mit Schmerzen verbunden, um sie haltbarer zu machen. Ganz nach der klassischen Pawlow-Methode – bei schlechtem Verhalten Schmerzen, bei gutem Belohnung. Als Erwachsene konnte sie das Vorgehen begreifen, aber als Kind war sie dem auf unvorstellbare Weise ungeschützt ausgesetzt gewesen.
Sie hatten nichts weiter tun müssen, als ihr bei „unerwünschtem“ Verhalten nur oft genug wehzutun, damit sie davor zurückscheute und sich ihren Forderungen beugte. Und Schmerzen waren bestimmt nicht die einzige Methode gewesen, ihre Willfährigkeit zu gewährleisten. Doch sie nahm an, dass es eine der
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