Jäger der Nacht (German Edition)
herumschlich und sie beschützte.
„Eigentlich sogar zwei“, stellte Sascha richtig. „Ich vermute, das liegt an Lucas’ überbehütendem Verhalten, obwohl ich mir auch vorstellen kann, dass die Wächter das von sich aus tun.“ Ihr Lachen klang sowohl amüsiert als auch irritiert.
„Zwei?“ Es machte Faith nichts aus, dass Vaughn ihr Geständnis mit anhörte, denn sie vertraute ihm, auch wenn sie im Wagen etwas anderes behauptet hatte. Aber noch so eine Raubkatze?
„Sie können unbesorgt sein. Vaughn würde nie jemandem gestatten, sich auf Hörweite heranzuwagen.“
Etwas im Klang von Saschas Stimme ließ Faith erstarren. „Wie bitte?“
Sascha lächelte. „Ach, nichts. Also, was fühlen Sie?“
„Ärger, Bosheit, Qualen, Wut, Blutrausc h … “ Sie wollte nicht die Perversionen aufzählen, die dieses sadistische Gehirn parat hielt. In den Visionen war sie er und spürte seine Gelüste.
Sie hätte jedes Mal kotzen und sich ihr eigenes Hirn herausreißen mögen. Kein Wunder, dass V-Mediale sich feige Silentium unterworfen und lieber den klaren geschäftlichen Dingen zugewandt hatten.
„Das wäre wohl der schlimmste Weg, aus dem Programm auszusteigen.“ Die Züge der abtrünnigen Kardinalmedialen wurden weicher. „Ich denke, der Auslöser für das Versagen Ihrer Schilde sind die Gefühle. Es könnte sein, dass die V-Medialen früher Feuer mit Feuer bekämpft haben, dass die Schrecken der Taten die Stärke der Sperren bestimmten.“
Vaughns Worte wiederholt zu hören erschreckte Faith. „Fahren Sie fort.“
„Es ist nur eine Annahme, aber meine Abwehrschilde sind zerbrochen, weil ich die Gefühle unterdrückt habe, die eigentlich meine Stärke waren.“
Faith fragte nicht weiter nach Saschas Fähigkeiten. Sie war immer noch mit dem Medialnet verbunden. Der Clan überwachte sie. Und dazu kam noch das ungewöhnliche Interesse des Rats. „Aber meine Fähigkeiten beruhen nicht auf Gefühlen.“
„Ich glaube, da liegen Sie falsch. Wenn die Gefühle nicht das Herzstück der Hellsichtigkeit gewesen wären, hätten V-Mediale nie Morde und Katastrophen vorhersehen können. Sie haben diese Dinge gesehen, weil das Schicksal anderer sie kümmerte, weil sie das Böse aufhalten wollten.“
Einfach unvorstellbar, welche Stärke vor Silentium für den Blick in die Zukunft notwendig gewesen war, um die unendlich vielen Bilder von Tod und Schmerz ertragen zu können. „Wollen Sie damit sagen, Silentium hätte den Teil von mir, der fühlt und die Dunkelheit sehen kann, schutzlos preisgegeben. Schon die bloße Vorstellung, es gäbe einen solchen Teil, würde meiner Konditionierung widersprechen. Daher kann ich logischerweise nicht schützen, was es gar nicht gibt.“ Und damit war sie der furchtbaren Macht eines Mörders, der ein Publikum brauchte, völlig ausgeliefert.
„So ist es.“ Saschas Augen leuchteten auf und Faith glaubte beinahe, Farben in ihnen zu sehen. Aber das war eigentlich unmöglich. „Ich glaube, deswegen kann Vaughn Sie da rausziehen – durch seine Berührung erwacht dieser verschüttete Teil.“
Faiths Magen zog sich zusammen, als Sascha den Jaguar erwähnte, der schon nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken war. „Aber selbst wenn Sie recht haben und ich diesen Teil finde und die Schutzschilde aktivieren kann, werden die Visionen nicht aufhören, sondern es wird nur leichter werden, ihnen zu entkommen. Ist es nicht so?“
„Faith“, seufzte Sascha, „wenn Sie so weitermachen und sich den Gaben verschließen, die vierundzwanzig Jahre lang eingesperrt waren, werden Sie sich innerlich zerstören.“
Und wahnsinnig werden, beendete Faith den Satz im Stillen und ballte beide Hände zu Fäusten. „Das Zulassen der Visionen hätte dieselbe Wirkung wie das Zulassen von Gefühlen, ich könnte es nicht lange geheim halten. Ich werde zu stark überwacht. Am Ende läuft alles auf dasselbe hinaus: die Einweisung in eine Anstalt für Geistesgestörte.“ Noch eine Sackgasse ohne Ausweg.
„Man hat immer eine Wahl. Es ist nur die Frage, ob man sie auch sehen will.“
Oder ob man sich feige hinter dem bequemen Schild von Silentium versteckt?
Das hätte Sascha so nie gesagt, wohl aber Vaughn. Er war nicht so nett wie die Kardinalmediale neben ihr. Er war ein Raubtier und ging ihr an die Gurgel. Und sie suchte mit den Augen den Wald nach ihm ab, bis sie schimmerndes Schwarzgold sah – den Jaguar, der sie umkreiste, sie beschützte un d – vielleicht gefangen hielt. Sie hätte wegrennen
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