Jäger der Nacht (German Edition)
wünscht.“
„Tatsächlich?“, fragte sie, ohne nachzudenken.
Anthony sah sie lange an. Sie überlegte schon, ob er vielleicht Verdacht schöpfte, als er doch noch antwortete: „Ich habe schon eine Tochter verloren. Das ist genug. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dich zu schützen.“
Sie hätte gern Gefühl e – Sorge, Lieb e – aus dieser Bemerkung gehört, aber sie wusste, dass sie sich damit nur selbst belügen würde. „Haben deine Quellen irgendeinen Zeitpunkt für seinen Angriff genannt? Oder weißt du, wie er aussehen wird?“ Sie zwang sich, das bedürftige Kind wieder zu verdrängen, und ging weiter.
„Innerhalb der nächsten beiden Tage. Krychek ist bekannt dafür, das Medialnet zu benutzen. Man hat den Verdacht, er verfügt neben der Telekinese über ein paar sehr gefährliche, nicht registrierte Fähigkeiten, mit denen er unbemerkt angreifen kann.“
„Glaubst du, es ist etwas Ähnliches wie bei Nikita Duncan?“
„Geistige Viren?“ Anthony schien über diese Möglichkeit nachzudenken. „Nein. Es ist irgendetwas anderes. Die Ergebnisse seiner besonderen Fähigkeiten sind unglaublich und äußerst bestürzend.“
„Ich dachte, die Zielpersonen würden plötzlich verschwinden.“
„Das ist auch so. Aber ich habe herausgefunden, dass nicht Krychek für ihr Verschwinden verantwortlich ist. Die Familien sind es – sie möchten nicht mit den Opfern in Verbindung gebracht werden.“
„Was könnte eine derartige Reaktion hervorrufen?“ Sie wollte so viele Informationen wie möglich über den Mann sammeln, der wahrscheinlich das nächste Mitglied des Rats werden würde. Wissen war Macht und sie wollte nicht mehr machtlos sein.
„Bist du sicher, dass du das wissen willst?“
„Selbstverständlich.“
„Nikitas Zielpersonen sterben oder sind so geschädigt, dass sie nicht mehr für sich selbst sorgen können – so wie bei bestimmten unfallbedingten Schädigungen des Gehirns. Das ist zwar ein Unglück für den Einzelnen, aber weder organisch noch genetisch bedingt und hat deshalb keine Auswirkungen für die Familie.“
Es sah ihrem Vater gar nicht ähnlich, so um den heißen Brei herumzuschleichen. „Und was ist bei Krychek anders?“
„Seine Opfer werden geisteskrank.“
20
Faith war ungeheuer froh, dass sie einen Schritt hinter Anthony ging, denn in diesem Augenblick hätte sie ihren Schrecken nicht verbergen können. „Geisteskrank?“
„Soweit man feststellen konnte, zeigten seine Zielpersonen zwei Tage nach der Infektion ungewöhnliche Verhaltensweisen. Am fünften Tag waren sie vollkommen verrückt, aber die genaue Diagnose war bei jedem eine andere.“
Faith unterdrückte Panik und Schrecken und versuchte, ruhig zu wirken. „Das erleichtert die Entscheidung – ich möchte auf keinen Fall vorzeitig wahnsinnig werden. Wahrscheinlich ist es am besten, wenn du als Haushaltsvorstand den Rat davon in Kenntnis setzt. Es könnte fatal für meine Gesundheit sein, mich jetzt ins Medialnet zu begeben. Zumindest sollte ich warten, bis Krychek über meine Entscheidung im Bilde ist.“
„Ich werde es gleich auf dem Rückweg erledigen.“
Sie gingen zum Tor zurück. „Vielen Dank.“ Nie würde Anthony ihr auch nur einen Bruchteil von dem geben, was sie sich so schmerzlich ersehnte. Aber er war ihr Vater. Sie sehnte sich nun mal nach seiner Anerkennung, sie konnte nicht anders.
„Faith.“
„Ja, Vater.“
„Sei vorsichtig. Es kann sein, dass dir Krychek auch an anderen Orten auflauert. Trau niemandem, bevor ich dir nicht Bescheid gebe, dass Kaleb über dein Ausscheiden aus dem Rennen informiert ist.“
Das war nicht weiter schwierig, denn sie traute sowieso niemandem, der mit dem Medialnet verbunden war. „Und wenn er sich entscheidet, mich auf jeden Fall auszulöschen, damit ich auch zukünftig keine Konkurrenz darstelle?“
„Ich habe mir etwas ausgedacht, um das zu verhindern. Wir werden bekannt geben, dass man dich wegen deiner außergewöhnlichen geistigen Strukturen aus der Öffentlichkeit fernhält.“
Ein Käfig. Ihr Vater wollte sie einsperren. Es sollte ihr nichts ausmachen, aber es tat doch weh. „Wie lange werde ich diese Fassade aufrechterhalten müssen. Ich nehme an, dass ich auch das Medialnet meiden muss.“
„Ich denke, ein Jahr wird genügen. Krychek muss vollkommen vergessen, dass du jemals eine Bedrohung für ihn warst.“
Ein Jahr fern der einzigen Freiheit, die ihr noch geblieben war. „Ist das nicht etwas übertrieben?“
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