Jäger der Nacht (German Edition)
Sie hatte immer geglaubt, Anthony wolle sie schützen, ganz egal, was er tat. Aber da s … war der Versuch, sie unter dem Deckmantel des Schutzes in Ketten zu legen.
„Es geht schließlich um dein Leben. Da ist ein Jahr nicht besonders viel.“
Ein Jahr war alles, wenn Jahrzehnte des Wahnsinns vor einem lagen. Aber wenn sie das Medialnet verließ, konnte Vaughn ihren zerbrochenen Geist vielleicht heilen. Ein Traum. Aber egal – sie hatte immer noch mehr gesunde Jahre in Freiheit vor sich als in diesem Gefängnis, das sich sowieso nie wieder öffnen würde. Der Clan würde weiter Gründe finden, sie zu isolieren, damit sie wie die Maschine funktionierte, die sie fast schon gewesen war.
„Drei Monaten würde ich zustimmen. Lass uns danach noch einmal über die Situation sprechen.“ Sie durfte nicht zu schnell nachgeben, weil Anthony genau das von ihr nicht erwartete.
„Einverstanden. Halt dich inzwischen vom Medialnet fern.“
„Ja.“ Bald, vielleicht schon in ein paar Stunden, würde sie sich für immer vom Medialnet trennen. Und wenn Vaughn sie, entgegen seinem Versprechen, nicht auffing, würde sie auch diese Welt verlassen. Sie fragte sich, ob ihr Jaguar wohl wusste, wie sehr sie ihm vertraute.
„Auf Wiedersehen, Faith.“
„Auf Wiedersehen, Vater.“
Faith zwang sich dazu, ins Haus zurückzukehren, obwohl sie beinahe Angst hatte, man würde sie nie wieder hinauslassen. Die Tür fiel mit leisem Klicken ins Schloss, doch es kam ihr vor, als wäre ein schwerer Riegel zugefallen. Sie atmete tief durch, drängte die aufkommende Panik zurück und ging zur Kommunikationskonsole.
Xi Yun antwortete sofort. „Was kann ich für Sie tun, Faith?“
„Könnten Sie mir frühere Berichte über meine Gehirnaktivitäten während der Vorhersagen schicken? Ich möchte sie mit den neuen vergleichen.“ Nicht sofort, aber irgendwann.
„Wie weit wollen Sie zurückgehen?“
Faith zögerte. Der Organizer konnte zwar viele Daten speichern, aber vierundzwanzig Jahre wären selbst für ihn zu viel. „Bis zu meinem sechzehnten Geburtstag.“ In diesem Alter hatten sich ihre Fähigkeiten stabilisiert.
„Genau das hätte ich auch vorgeschlagen“, sagte Xi Yun. „Vor dieser Zeit waren Sie etwas sprunghaft.“
Mit sechzehn war die Konditionierung inoffiziell beendet, die zwei Jahre bis zum achtzehnten Geburtstag sollten nur sicherstellen, dass es keine „Fehler“ gab. Hatte Silentium dazu beigetragen, ihre Visionen zu fokussieren, oder hatte es ihren Geist nur so weit verkümmern lassen, dass die produzierten Muster nicht mehr sprunghaft, sondern in einer akzeptablen Form auftraten? Bei diesen Überlegungen fiel ihr etwas anderes ein: „Wie kommt Juniper voran?“
„Recht gut für eine Achtjährige. Sie hat nicht annähernd die Fähigkeiten, die Sie in diesem Alter hatten, aber im Vergleich zu ihren Altersgenossen bewältigt sie das Programm in einer angemessenen Geschwindigkeit.“
Die junge Hellsichtige, die auf der Skala eine acht Komma zwei erreichte, wurde also schneller als die anderen zur Maschine. „Könnte ich die Berichte über sie ebenfalls sehen? Ich habe daran gedacht, vielleicht ihre Ausbildung zu übernehmen.“ Für eine Kardinalmediale war es völlig legitim, einem jüngeren Mitglied der Familie so etwas anzubieten.
Im Feld der Vorhersagen war eine solche Unterstützung besonders notwendig, und Faith fühlte sich schuldig, dass sie Juniper dies nun vorenthalten würde. Aber sie würde auf jeden Fall versuchen, Juniper und den anderen von draußen zu helfen.
„Ich werde es mit ihrem Vormund besprechen, aber ich glaube nicht, dass es Probleme geben wird. Sie sind schließlich diejenige, deren Vorhersagen zum Stoff der Ausbildung gehören.“
„Wann könnte ich alles haben?“ Es war inzwischen kurz nach vier.
„Innerhalb einer Stunde.“
Dann hätte sie genug Zeit, die Daten zu speichern, bevor Vaughn sie holte.
Vaughn hatte schon vor Stunden bei Faith sein wollen. Er war gerade auf halbem Wege gewesen, als es im Sternennetz Alarm gegeben hatte – Sascha bat um Unterstützung, indem sie Dorian Mitgefühl schickte. Vaughn wusste, dass alle anderen beschäftigt waren; er meldete sich also und kehrte um. Da er im Netz nur Gefühle wahrnahm, musste er noch am Haus eines Rudelgefährten haltmachen, um von Sascha telefonisch den genauen Standort von Dorian zu erfahren.
Als er Dorian endlich erreichte, steckte dieser bis über beide Ohren in einem Kampf mit wütenden Jugendlichen. Der
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