Jäger der Nacht
in Kevins Hand. «Hier, trink das. Du fühlst dich dann besser.»
«Wo haste die her?»
«Von ‘nem Freund in einer der Bars.»
«Du kennst ‘ne Menge Leute hier, was?»
«War mein Revier.» Er sah sich hoheitsvoll um. «Ehrlich gesagt, ist es immer noch.»
Kevin schlürfte sein Bier. Das bittere, kalte Bier tat ihm gut und schien seine Anspannung zu lösen. Dennis hatte die ganze Angelegenheit ausgesprochen gleichmütig behandelt. «Du stehst in einer Einfahrt, klar? Oder du gehst einfach auf und ab. Und der Freier kommt im Wagen an, und wenn er auf dich steht, hält er an und öffnet die Tür. Dann schlenderst du heran, ganz lässig, und du guckst in den Wagen, und wenn es nicht das Monster vom Loch Ness ist, steigst du ins Auto. Und dann mußte es mit ihm abmachen, klar? Gleich am Anfang. Verlang ‘nen Zwanziger. Immer ‘nen Zwanziger verlangen. Du bist normal, kapiert? Aber du hast ‘ne kranke Mutter und all so’n Scheiß, und für ‘nen Zwanziger läßt du dir von ihm einen blasen. Und wenn er darauf nicht anspringt, tust du so, als ob du aussteigen willst. Meist lenken sie dann ein. Aber wenn er’s nicht tut und es spät ist und er dir gefällt, dann mach’s für ‘nen Zehner. Immerhin, er nimmt dich mit in seine Wohnung oder so, und vielleicht entdeckste was, das du stehlen kannst. Wenn er’s im Wagen machen will, das ist cool. Du kannst in zehn Minuten wieder auf der Straße sein, ‘türlich biste dann abgeschlafft, und manchmal braucht man ‘ne halbe Stunde, bis man ihn wieder steif kriegt. Aber du kannst ja auch so tun, als ob es dir kommt, rumstöhnen und zucken, und meistens kriegt’s der Freier nicht mit. Er zahlt sowieso, und du hast dir was fürs nächste Mal aufgespart. Allerdings... du mußt ihn hochkriegen. Für ‘nen schlappen Schwanz zahlt kein Freier.»
Kevin spürte, wie sein Glied blitzartig schlapp wurde.
«Und noch was. Trag immer was Weißes oder Helles, damit sie dich sehen können.»
Kevin hatte gehorsamst ein altes Paar weiße Hosen angezogen, die ein bißchen zu eng für ihn waren. Dennis hatte wohlwollend genickt. «Prima. Zeigt deine Beule.»
«Was’n ‹Beule›?»
«Dein Schwanz und deine Eier, Blödmann. Das, was du verkaufst.»
Nun, als er an der Hafenstraße stand und seine Hose im Schritt
kniff, raste Kevins Puls. Irgendwo in diesen dunklen Straßen war ein Auto, im Wagen ein Mann, ein absolut Fremder, der mit ihm Sachen machen würde, die noch nie jemand zuvor mit ihm gemacht hatte. Er wußte nicht, was passieren würde; er hoffte, daß der Freier nett sein würde.
Dennis sah sich um; seine Augen waren von den Haaren halb verborgen. «Siehst du den Laternenpfahl da drüben? Und das Lagerhausschild direkt dahinter?»
«Ja.»
«Da trifft man sie meistens; aber heut nacht ist nicht viel los. Trink dein Bier aus, und dann geh rüber und stell dich unter das Schild.»
Kevin leerte hastig die Bierdose, rülpste, warf die Dose in den Rinnstein, reckte seine Schultern und ging die Straße runter zum Schild.
Er verschmolz förmlich mit der Mauer des Lagerhauses und beobachtete den spärlichen Verkehr auf der Hafenstraße. Seine Augen folgten aufmerksam den Autos, um zu sehen, ob irgendeines langsamer wurde und auf ihn zuhielt. Ein Fahrer tat’s, aber er gab wieder Gas und fuhr vorbei. Kevin beobachtete, wie die Rücklichter verschwanden, und fühlte sich verletzt. Vielleicht würde niemand anhalten. Vielleicht würde man ihn dort die ganze Nacht stehen lassen. Er sah flüchtig den Bürgersteig entlang und sah die schlanke Gestalt von Dennis, der auf der Stoßstange eines parkenden Autos saß und fühlte sich erleichtert. Dennis schien auch nicht mehr Glück zu haben als er. Er bemerkte, nun, da sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, andere Gestalten, die in Einfahrten standen oder auf dem Bürgersteig auf und ab gingen.
Er sah einen Streifenwagen die Straße runterkommen und geriet für einen Moment in Panik. Was würde er sagen, wenn sie anhalten würden? Daß er nur auf einen Freund wartete, der ihn zu seiner kranken Mutter bringen würde und all so’n Scheiß? Niemand würde das glauben. Aber Kevin hatte sich umsonst Sorgen gemacht. Der Wagen fuhr einfach vorbei; die dunklen, wartenden Gestalten wurden offensichtlich nicht beachtet.
Ein Kombi fuhr vorbei. Dann sah Kevin die Bremslichter aufleuchten, als der Wagen dort anhielt, wo Dennis auf der Stoßstange saß. Dennis bewegte sich schnell zum Autofenster, öffnete gleich darauf
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