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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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entspannten.
    Doch im Bett, als Amory dicht neben ihm lag, konnte Bruce fühlen, wie Anfälle von Zittern Amorys Körper durchschossen.
    «Bruce...», flüsterte Amory, als ob Dämonen direkt vor der Wohnung herumspuken würden, «warum tun Jungs nur so was?»
    «Weiß nicht. Sie finden wohl Dinge über sich heraus, mit denen sie nicht zurechtkommen.» Schweigen.
    Amory nahm das Thema wieder auf. «Da war dieser eine Junge, der, der mich geschlagen hat... Ich hab’ nicht viel von seinem Gesicht gesehen. Nur seine Augen. Schon merkwürdig, in seine Augen zu sehen, während er mich schlug.»

7. KAPITEL
     
    Während Mr. Grahams Geschichtsunterricht saß Kevin direkt neben Gino Scala und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was Mr. Graham sagte: Der Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg. Aber ihn interessierten nur die Uniformen der Bürgerkriegssoldaten – die Bilder beschäftigten ihn, die er im Schulbuch sah. Sie sahen genauso aus wie die Soldaten‐Standbilder, die er im Greystone Park gesehen hatte. Er wollte nicht an die Standbilder denken, aber er konnte sie nicht aus dem Kopf kriegen.
    «Vereint im Ruhm». Klar, Krieg. Die Union verteidigen. All so was. Sind die auch herumgezogen und haben Tunten zusammengeschlagen? Nein, das war nur was für Kinder... Kinder auf dem Trip. Männer zogen aus, die Union zu verteidigen. Kinder... die machen nur Scheiß. Kevin fühlte sich irgendwie elend. Seit dem Überfall im Park vor zwei Nächten stieg dieses Gefühl des Elends immer wieder in ihm auf.
    Man konnte sich damit herausreden, daß sie ihn dazu gezwungen hatten. Man konnte sich damit herausreden, daß er high war, nicht wußte, was er tat. Aber er wußte, daß das Scheißdreck war. Er hatte dem Typen ins Gesicht geschlagen, weil er es tun wollte. Was ließ ihn so was tun? Oh ja, er könnte an den Mann mit der Brille denken. Aber der Typ, den er geschlagen hatte, hatte keine Brille getragen. Zum Teufel, es hätte Harry sein können! Nur, daß er wußte, daß es nicht Harry gewesen war. Aber der Typ, den er geschlagen hatte... er war vielleicht ein Harry für irgendjemanden. Und er hatte auf diese Lippen eingeschlagen. In seinen Gedanken konnte er diese Lippen buchstäblich an seinem Schwanz fühlen und spüren, was das für ein Gefühl war.
    Kevin änderte seine Haltung und schlug die Knie übereinander. Er wollte nicht, daß Gino Scala sah, was zwischen seinen Beinen los war. Mr. Graham schritt hinter seinem Pult am Kopf des Zimmers auf und ab und redete und redete mit eintöniger Stimme, die beruhigend auf Kevins Beklemmung wirkte; und Kevin zwang sich, wieder aufmerksam zuzuhören. Ihm fiel ein, wie er vor einem Monat zum ersten Mal in diese Schule gekommen war. Er hatte sich Mr. Graham als einen Lehrer wie jeden anderen auch vorgestellt. Er war groß, hatte sandfarbenes Haar und runzelte seine Stirn so lustig, wenn er auf der Suche nach einem passenden Wort war. Aber Kevin wurde allmählich klar, daß all diese merkwürdigen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen... über die Houghton Street... über die Mirabelle... über den Friedhof... Dinge waren, über die Mr. Graham Bescheid wußte. Wenn Mr. Graham unterrichtete, begann Kevin aufmerksam zuzuhören und all die Eindrücke von Pferden und Kutschen, Soldaten in dunklen Uniformen, Segelschiffen und Dampfmaschinen einzufangen, die Mr. Graham in ihm erweckte.
    Mehr noch. Für Kevin gewann Mr. Graham eine besondere Bedeutung, er freute sich auf seinen Unterricht montags, mittwochs und freitags um elf. Als sie aus der Klasse rauskamen, sagte Gino: «Auf den Typen fährste voll ab, was?»
    «Wen?»
    «Mr. Graham.»
    Kevin spürte, wie er rot wurde.
    «Du läßt ihn nie aus den Augen.»
    «Was er zu sagen hat... weiß auch nicht... mag ich.»
    «Und ihn auch», sagte Gino mit einem Grinsen.
    Kevin mußte sich eingestehen, daß Mr. Graham nicht nur irgendein Lehrer war, und er sehnte sich nach einem Kontakt mit ihm außerhalb der drei Wochenstunden, aber es widerstrebte ihm, nach dem Unterricht nach vorn zu gehen und dämliche, saudumme Fragen zu stellen. Die anderen Jungs in der Klasse würden ihn für einen Streber halten und ihm das Leben schwermachen.
    Er fragte sich, wo Mr. Graham wohnte, wie alt er war, ob er verheiratet war. Was aß er zum Frühstück? Hatte er viele Bücher über Geschichte? Gab es in einigen von ihnen Bilder? Er würde gern Bilder sehen wie das von der Houghton Street.
    Er zögerte, dann wehrte er sich nicht mehr gegen den Gedanken. Er

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