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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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hin.»
    «Aber wenn du einen Zwanziger auftreiben kannst, wenn du ihn brauchst, das ist doch toll!»
    «Ja. Toll.»
     
    Seitdem er Laureldale verlassen hatte, kam es Kevin so vor, als sei sein Leben ihm aus der Hand geglitten. So viele merkwürdige Dinge waren ihm zugestoßen. Er wünschte sich sehnlichst, zu den Crimmins zurückzukehren und sich in sein eigenes Bett zu kuscheln in seinem eigenen Zimmer mit den Bäumen davor.
    Einmal war er zurückgekehrt, um sie zu besuchen; aber sie hatten ein neues Pflegekind, ein zehnjähriges Mädchen, das nun in seinem Zimmer wohnte, und er war sich fremd und unbehaglich vorgekommen in einer Umgebung, die ihm eine kurze Zeit zuvor so vertraut gewesen war wie sein eigener Körper. Er war mit seiner Mutter und Jake geschlagen, geschlagen mit der Stadt und der Schule, geschlagen mit Dennis – und mehr und mehr gefiel ihm nichts von alledem.
    Aber da gab es Mr. Graham. Und da gab es Harry, wenigstens hin und wieder für eine Stunde oder so. Und da würde es noch... geben – ja wen denn?
    «Tussies bumsen.» Das war Ginos Zeitvertreib. Aber es war be‐
    stimmt nicht seiner. Was er wollte... was wollte er eigentlich? Seine Sehnsucht streifte durch einen Nebel von Fantasie. Da war Kennys Körper, ausgestreckt auf der Grabplatte. Harry im Hotel. Der Mann mit den vollen Lippen im Park.
    Seine Gedanken kreisten zurück zu Harry, zu den Schultern, an die er sich gelehnt hatte, zu den Armen, die ihn gewiegt hatten. Ja, er wollte Harry. Aber was bedeutete er Harry? Nicht mehr als ‘ne Nummer für ‘nen Zwanziger, und wahrscheinlich hatte er sich seit Kevin ein halbes Dutzend andere gekauft. Der Gedanke ließ ihn verbittert werden. Er brauchte diese Schultern, wollte diese Arme. Wenn nicht Harry, dann jemand anders. Und einen weiteren Zwanziger. Immerhin etwas. Und er würde niemals zu jemanden in den Wagen steigen, der eine Brille trug.
    «Hey», sagte Gino, «willste ins Kino heute abend ?»
    «Nee. Ich mach’ irgendwas anderes.»
    «Was ist das, was anderes?»
    «Irgendwas.»
    «Wichtige Verabredung, hä? Wirste sie knallen?»
    «Darum geht’s nicht», sagte Kevin. «Was anderes.»

8. KAPITEL
     
    Bruce kannte dieses Gefühl. Mittwochs, nach dem Abendessen, wenn einen weder das Fernsehprogramm noch ein Buch zu lesen reizen konnte, überkam ihn in schöner Regelmäßigkeit die große Langeweile – Halbzeit in der Woche. George und Gerald spielten meist mit wohlhabenden Witwen Bridge. Er und Amory pflegten meist an einem solchen Abend ins Theater zu gehen oder in einen Film, den das Museum zeigte. Aber Amory war schon lange nicht mehr da, und Bruce hatte keine Lust, die städtischen Kulturtränken allein abzuklappern.
    Unruhig rutschte er in seinem Sessel hin und her. Dann verharrte er einen Moment, als ob er allem überdrüssig sei; dann wurde er wieder unruhig und stand auf. Er bewegte sich nahezu schlafwandlerisch, schaltete – bis auf etwas Licht im Wohnund Schlafzimmer – fast alle Lampen aus, zog sich eine Jacke über, ging seine Schlüssel durch und nahm aus seiner Brieftasche Kreditkarten und alles andere bis auf 25 Mark raus. Die Karten und das Geld steckte er zwischen die Seiten einer ledergebundenen Ausgabe von Miltons Gedichten, die er von seinem Großvater geerbt hatte.
    Sorgfältig verschloß er die Wohnungstür, drehte prüfend den Türknopf und ging dann über die Straße zu seinem Wagen. Er konzentrierte sich auf jeden einzelnen Handgriff, als ob er etwas Endgültiges an sich hätte – Zündschlüssel in die Zündung stecken, Motor anlassen, Scheinwerfer einschalten, den Wagen aus der Parklücke fahren. Jede Handbewegung schien nur um ihrer selbst willen gerechtfertigt zu sein, ohne irgendein bestimmtes Ziel oder irgendeinen Zweck an sich zu haben. Es schien so irgendwie sauberer zu sein.
    Wie ein erfahrener Jäger durchstreifte Bruce mit seinem Wagen die Hafenstraße; die Scheinwerfer erfaßten weiß aufblitzende Punte – Hemden, Hosen – in den Nischen und Eingängen der Lagerhäuser. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und er konnte einige Gestalten und ihre Gesichter genauer erkennen und sich sogar eine Vorstellung vom Alter des nächtlichen Angebots machen. Einige von ihnen waren ihm vertraut.
    Den, der zwei Straßenlaternen von der Kneipe entfernt stand, hatte er schon gehabt. Ein unfreundlicher junger Typ mit Pickeln auf der Schulter, aber ausgestattet mit einem höchst erstaunlichen Ständer. Bruce fuhr an ihm vorbei. Ein weiterer Junge –

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