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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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würde. Und außerdem, er wohnte nur einen Steinwurf entfernt.
    Als er in seine Wohnung im Gallatin House zurückkam, war Gerald am Telefonieren. «Bleib dran, Amory. Er ist zurück.» Er reichte Bruce den Hörer und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
    Bruce nahm den Hörer. «Hallo?»
    «Bruce, hier ist Amory.» Die Stimme klang, als käme sie vom anderen Ende der Welt. «Kann ich vorbeikommen?»
    «Sicher. Du klingst so daneben. Was ist los?»
    «Ich wurde überfallen und niedergeschlagen.» Man konnte hören, wie schwer es ihm fiel, das zu sagen.
    «Verletzt?»
    «Sie haben mich im Krankenhaus untersucht. Ich lebe. Aber...»
    Bruce spürte, wie ihn ein Gefühl von Zuneigung überkam.
    «Komm her. Hier gibt’s Kaffee und gute Worte und reichlich Brandy.»
    «Danke, Bruce.»
    Als Bruce den Hörer auflegte, gab George einen tiefen Seufzer von sich. «Ich seh’ da eine Versöhnung herannahen.»
    «Laß den Scheiß», sagte Bruce.
    «Was ist passiert?» fragte Gerald.
    «Amory wurde überfallen.»
    «Hafenstraße?»
    Bruce schüttelte seinen Kopf. «Da geht er nicht hin. Er treibt sich im Greystone Park herum.»
    George seufzte wieder. «Unartiges Kind.»
    Gerald war einsichtig: «Wir sollten wohl besser gehen.»
    «Wenn ihr wollt», sagte Bruce.
    George zog seine Katharine‐Hepburn‐Nummer ab: «Wir müssen unsere Maschine startklar machen und die Turteltauben ihrem Glück überlassen. Komm, Gerald, wirf dich in deine Fliegermontur.»
    George und Gerald tranken ihren Brandy bis zum letzten Tropfen aus, entboten ihm theatralisch den Abschiedsgruß und verschwanden in die Nacht.
    Als es an der Tür klingelte, machte Bruce gerade die Küche sauber. Als er eintrat, war Amory kaum als er selbst zu erkennen. Ein blauer Fleck über dem einen Auge, eine Schwellung unter dem anderen, dicke Lippen, zerrissenes und verdrecktes Hemd, wirre Haare. Er ging in das Wohnzimmer und sank stöhnend auf dem Diwan nieder.
    Bruce tastete ihn mit den Augen ab und widerstand der Versuchung, ihn in die Arme zu nehmen. «Junge, Junge, du hast ja wirklich ganz schön was abgekriegt, was?»
    «Das kannst du wohl sagen.» Amorys Stimme klang etwas schleppend. Aber Bruce erkannte sofort, daß das von der Erschöpftheit und nicht vom Alkohol kam.
    «Brandy oder lieber...»
    «Brandy.»
    «Kommt sofort.»
    Als Amory seinen Brandy in der Hand hatte, erzählte er die Geschichte in zögernden Sätzen, als ob der Vorfall sich vor längerer Zeit ereignet hätte.
    Bruce hörte aufmerksam zu und dachte darüber nach, wie oft er schon in der Hafenstraße oder am Jefferson Square in der Gefahr solcher Überfälle gewesen war. Aber er sagte nichts, während Amory diesen Alptraum noch mal durchlebte. Er wußte von den Kräften, die Amory antrieben und ihn die unheimliche Gefahr herausfordern ließen und wie dieses Bewußtsein der Gefahr den Reiz eines sexuellen Abenteuers erhöhte. Aber als er sich die Verwüstungen ansah, die Amorys hübschem und geliebtem Gesicht angetan worden waren, wußte er auch, daß dieser Überfall mit dem Tode geendet haben könnte. Er fühlte sich niedergeschlagen. Er bedauerte Amory. Er bedauerte sich selbst. Aber er hörte mit unbewegtem Gesicht zu.
    «So einen Mist haben wir nicht verdient», kam Amory zum Schluß.
    Bruce zuckte mit den Schultern. «Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.»
    «Ausgerechnet du mußt so was sagen. Der Großwesir der Hafenstraße!»
    «Ich bin dort seit Monaten nicht mehr gewesen.»
    «Was ist los? Keinen Geschmack an kleinen Jungs mehr?»
    Bruce schwenkte seinen Brandy. «Mein Sexleben steht nicht zur Diskussion. Wir beschäftigen uns mit deiner Katastrophe.»
    Amory senkte seine Augenlider, dann wurde sein Blick sanft.
    «Bruce, ich bin nicht zum Streiten aufgelegt.»
    Bruce hatte Gewissensbisse wegen seiner moralischen Bevormundung. Er ging zum Diwan rüber, legte einen Arm um Amory und murmelte: «Tut mir leid.»
     
    Amory legte seinen Kopf an Bruces Schulter, zog ihn schnell mit einem «Au!» zurück und lehnte ihn dann wieder ganz langsam an die Schulter zurück. So, wie kleine Kinder ihren Milchbecher halten, hielt er sein Glas mit dem Brandy mit beiden Händen fest und nippte daran.
    Etwas später zog Bruce Amory behutsam aus, stellte ihn unter die Dusche und rubbelte ihm mit geübten Händen die Schultern und den Rücken ab, während die Dämpfe des heißen Wassers ihre Körper umhüllten. Bruce spürte, wie sich Amorys Muskeln allmählich unter seiner Berührung

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