Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
Vom Netzwerk:
an diesem Tag die Schule verließ.
    Aber es schrumpfte schnell wieder zusammen, als er zu Hause ankam. Millie und Jake hatten mal wieder eine ihrer lautstarken Auseinandersetzungen, und das Haus schien verkommener auszusehen denn je. Er verzog sich aus dem Haus, ohne daß einer der beiden von ihm Notiz nahm. Er saß für einen Moment auf der Vortreppe und dachte daran, bei Gino vorbeizugehen. Aber dann dachte er daran, daß Gino wahrscheinlich über seine blöden Tussies reden wollte, und das war nicht zum Aushalten.
    Ohne bestimmtes Ziel ging er die Houghton Street entlang. Als er am Friedhof vorbeikam, spähte er durch das Tor. Die mächtigen Bäume spendeten den Grabsteinen Schatten. Er konnte kurz das Backsteinhaus erkennen, wo sich der Vorfall mit Max und Arnie abgespielt hatte. Ihn schauderte, als er daran dachte. Aber jetzt, in der sanften Nachmittagssonne des Frühlings, glich dieser Ort einem lieblichen Hain.
    Er trottete weiter, stellte sich vor, daß sich Millie und Jake wohl in etwa einer Stunde beruhigt haben würden, gerade rechtzeitig, daß er sein Abendbrot bekommen könnte. Bis dahin...?
    Ein Junge, ungefähr so alt wie Kevin, saß auf einer Vortreppe und rauchte eine Zigarette. Ihre Blicke trafen sich, und der Junge sagte: «Na, Alter, wie läuft’s?»
    Kevin blieb stehen. «Lausig.»
    «Ja, ich weiß, waste meinst .» Er nickte einladend mit dem Kopf.
    «Setz dich und erzähl’s mir.»
    Ihm erzählen? Wie könnte er auch nur irgendjemandem davon erzählen? Doch er setzte sich halt.
    Der Junge hatte ein schmales Gesicht, lange, strähnige Haare, und er hatte eine übermütige Art, seinen Kopf zu halten. Er rauchte seine Zigarette, indem er sie zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, und wenn er sie aus dem Mund nahm, kräuselte sich der Rauch zwischen seinen Fingern. Er trug einen Goldreif an seinem kleinen Finger, und als er den Kopf zurückwarf, bemerkte Kevin, daß er in einem Ohr einen goldenen Ohrring hatte. Ganz schön ausgeflippt, stellte Kevin fest, aber seine Augen waren freundlich, und zumindest war er jemand, mit dem man reden konnte.
    Oder ging es da um mehr?
    «Ich heiße Lenny», sagte der Junge. «Und du?»
    «Kevin.»
    Lenny hielt ihm eine Hand hin, und Kevin schüttelte sie. Lenny hielt Kevins Hand den Bruchteil einer Sekunde zu lange fest, und Kevin dachte, daß das sowas wie ein Geheimzeichen sein könnte. Und dieser direkte Blick – sollte der sicherstellen, daß er die Botschaft verstanden hatte? Aber was war die Botschaft? Kevin bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Konnte man es ihm ansehen? Nach nur einer Nacht? Oder war es ihm schon seit Ewigkeiten anzumerken gewesen?
    Wieder Lennys direkter Blick. «Biste hier aus der Gegend?»
    «Dahinten von der Burkett Street.»
    «Ganz schön weit weg.» Lennys Stimme klang leicht enttäuscht.
    «Bin spazierengegangen. Hab’ sonst nichts Besseres zu tun.»
    «Ja. Manchmal ist es stinklangweilig. Geht mir auch so. Sitze hier so rum. Aber manchmal passiert doch was.» Pause.
    Kevin ergriff den Strohhalm. «Denkste, ich bin dies ‹was›?»
    «Scheiße, Alter. Du könntest mir gefallen, mächtig.»
    Kevin war überrascht. Er sagte: «Danke.»
    «Außer, jetzt, da wackelste nur mit dem Arsch durch die Gegend. Bringt nichts, nicht, wenn du nicht auf was aus bist.»
    «Ich bin auf nichts Bestimmtes aus. Und ich bin eben einfach in der Laune, mit meinem Arsch durch die Gegend zu wackeln.»
    Lenny grinste, und es war eigentlich mehr lüstern als grinsen.
    «Jeder ist immer auf irgendwas aus.» Es klang leicht verächtlich.
    «Und sei es nur auf ein Mädchen.» Ein Zögern. «Haste ein Mädchen?»
    Kevin schüttelte seinen Kopf.
    Lenny atmete erleichtert auf. «Tja, nun, dann kann ich dir vielleicht helfen!»
    «Kann sein.»
    «Erzähl mir nichts!» Lenny streckte vorsichtig eine Hand aus und strich leicht über Kevins Unterarm. «Laß mich raten. Hm, laß mich mal überlegen...» Er starrte in den Himmel. «Ich hab’s! Es ist Mr. Smith, oder?»
    Kevin war überrascht. «Wer ist Mr. Smith?»
    «Der Baskettball‐Trainer. Immer, wenn du ihn im Umkleideraum in seinem Jockstrap durch die Gegend laufen siehst, treibt es dich... hoch... die Wände hoch. Richtig?»
    Trotz seiner Trübseligkeit mußte Kevin grinsen. «Rate nochmal.»
    «Wie wär’s mit Mr. Jones, dem Chemielehrer, der im Labor all diesen merkwürdigen grünen Quatsch produziert, und dann kommt es soweit, daß du einen hoch kriegst, wenn du nur an diesen grünen Quatsch

Weitere Kostenlose Bücher