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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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bewundern. Der Knabe würde alles tun, um sich in den Himmel zu lügen!
    Später – Miss Gotter war gegangen, Millie hatte die Whiskyflasche hervorgeholt und Jake seinen Sechser‐Pack – waren Kevin und Dennis oben in ihrem Zimmer. Kevin fragte: «Warum hast du ihr all diesen Scheiß erzählt?»
    «Weil’s der Scheiß war, den sie hören wollte.»
    «Aber...»
    «Was zum Teufel hätte es schon Gutes gebracht, wenn ich ihr die
    Wahrheit erzählt hätte?»
    Kevin seufzte. «Nicht viel, glaub’ ich. Sie würde es wahrscheinlich sowieso nicht geglaubt haben.»
    Dennis sah Kevin mit einem langen, wissenden Blick an. «Hey, wo warste letzte Nacht?»
    «Unterwegs.»
    «Geile Verabredung, was?»
    «Wenn du’s so nennen willst.»
    «Wie viel haste gemacht?»
    Kevin wurde ärgerlich über Dennis’ Aufdringlichkeit. «Geht dich nichts an!»
    «Zu heilig, um darüber zu reden, hä? Ach, ich kenne diese Sorte. Lassen dich wie ‘ne heiße Kartoffel fallen. Wirst es noch lernen.»
    Kevin warf sich unruhig im Bett hin und her, unfähig einzuschlafen. Die Spannung, die in den letzten vierundzwanzig Stunden stetig angewachsen war, bereitete ihm Schmerzen. Die heraufdämmernde Erkenntnis. Die Zweifel. Die unbeantworteten Fragen. All das schien nun seine Erinnerung an die Zeit mit Sam im Himmelbett zu überkrusten. Für eine Stunde oder so, dicht neben Sams Körper, hatte er mit einer Bestimmtheit, die er nie zuvor verspürt hatte, gewußt, was er wollte. Aber nun? Welches Lehrgeld würde er für diese Erkenntnis bezahlen müssen?
    Was, wenn Miss Gotter Bescheid wußte? Oh, sicher, dachte er, sie würde es nicht glauben, wenn sie davon hören würde. Was wußte sie denn überhaupt schon darüber? Die Stadt. Die Regierung. All diese Großkopferten da im Sozialamt. Was wußten sie von Sam, von der Mole, vom Jefferson Square? Wie konnten sie wissen, wie er fühlte, oder verstehen, was es ihm bedeutete? Und was ging sie das überhaupt an? Es geschah diesen schwanzlutschenden Schweinen ganz recht, von Theodora gelinkt zu werden!
    Aber was, wenn einige dieser Schweine ihn in der Hafenstraße oder am Jefferson Square aufgelesen hätten? Dann würde es Miss Gotter vielleicht glauben, und die Großkopferten im Sozialamt, und der Vorsitzende am Familengericht, und all die. Und was würde mit ihm geschehen? Er hatte davon gehört. Sie würden ihn in eine Anstalt schicken, ein verdammtes Gefängnis.
    Er kuschelte sich tiefer unter die Decken, und, trotz all seiner Verwirrtheit, glitten seine Gedanken zu Sams Wohnung zurück. Sie war befremdend gewesen, diese Wohnung, wie in einem dieser Filme, dunkel und unheimlich im dämmerigen Licht – die schweren Möbel, die Gemälde an der Wand, die Falten der Vorhänge, die die Fenster verhüllten, die dicken Teppiche, die der ganzen Wohnung eine Ruhe zu verleihen schienen, selbst wenn das Radio an war. Befremdend, ja, aber er hatte sich darin so wohl gefühlt, als ob er, als er die Wohnung betrat, nach Hause kommen würde und nur den einzigen Wunsch hätte, sich auszuziehen und zu entspannen.
    Und dann war da Sam. Es fiel leicht, sich mit ihm zu entspannen.
    Er hatte nie so jemanden wie Sam gesehen, ausgenommen vielleicht Mr. Graham. Er redete, aber es war da so eine Ruhe um ihn, wie in der ganzen Wohnung. Er spürte, daß er Sam alles erzählen könnte, und er wußte, daß er es verstehen würde. Er hatte ihm nicht viel erzählt, schon gar nicht mit Worten. Aber im Bett, ja, da hatte er ihm alles erzählt, ohne ein Wort zu sagen, und jede Geste, jede Bewegung von Sam hatte es deutlich gemacht, daß er es verstanden hatte. Warum hatte er dann panische Angst gehabt? Warum war er nach Hause gegangen, wenn doch alles, was er wollte, war, die Nacht mit Sam zu verbringen.
    Er hatte sich gesagt, daß er wollte, daß Sam ihn nackt sah, aber so nackt nun auch wieder nicht. Nun spukte dieser Satz in seinem Kopf herum: «Heiße Kartoffel.» Die Stimme von Dennis. «Lassen dich wie ‘ne heiße Kartoffel fallen.»
    Unter der Bettdecke ließ Kevin seine Hände über seinen Körper gleiten, befühlte Fleisch und Knochen – zu viele Knochen – und wurde sich bewußt, daß das alles war, was er Sam zu bieten hatte, und daß das alles war, was Sam von ihm wollte. Was sonst hatte Kevin zu bieten? Sam hatte ihn gebeten, wiederzukommen, aber meinte er das auch so? Sicher, für eine weitere Runde im Himmelbett, was sonst konnte er wohl von Kevin wollen? Nach einigen solcher Runden würde er lediglich eine weitere

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