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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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ein Anfang.»
    «Von was?»
    «Von der Bildung.»
    «Du meinst... das geht immer so weiter?»
    «Ich kriege eine Lektion von dir genau in diesem Moment.»
    «Von mir?»
    «Aber sicher.»
    «Du machst ‘nen Witz!» Er sah an sich runter. «Alles, was ich habe, ist’n Schwanz und ‘n Arsch, und ich nehm’ an, davon haste reichlich gehabt.»
    «Du hast einen Kopf... und», fügte Bruce geheimnisvoll hinzu,
    «eine Vergangenheit.»
    Kevin prustete vor Lachen. Aber das Lachen verebbte schnell wieder. «Hey, ich muß mal pinkeln.»
    «Da drüben.» Er zeigte auf die Badezimmertür. «Im Schränkchen über dem Waschbecken ist eine neue Zahnbürste.»
    «Okay.» Kevin schwang sich aus dem Bett. Sein nackter Körper hatte die Anmut eines Fohlen . Auf halbem Weg zur Tür drehte er sich um. «Rühr dich nicht von der Stelle, verstehste?»
    «Garantiert nicht.» Während Kevin im Klo verschwand, streckte sich Bruce auf dem Bett aus. Er konnte die Wärme der Stelle spüren, auf der Kevin gelegen hatte.
    Bruce lauschte dem Rauschen des Wassers im Bad und fragte sich, was das Leben wohl noch alles für ihn in petto hätte. Die Laute waren intim und vertraut, genauso wie die seiner eigenen Badezimmer‐Riten. Da war einfach nur ein anderes menschliches Wesen im Badezimmer – kein Versteck spielender Zugvogel, der wieder in die Nacht verschwände. Die Wirklichkeit dieses Morgens war nicht zu bestreiten, und die Gegenwart des Jungen im Bad umso mehr verlockend... und verwirrend. Kevin erweckte in ihm die tiefste Sehnsucht, aber er war einfach nicht darauf vorbereitet, den Schutzengel für einen kleinen Jungen zu spielen.
    Er betrachtete seine eigene Nacktheit auf dem Bett. Vielleicht sollte er sich lieber anziehen, um Kevin das Zeichen zu geben, daß er zwar einem jungen Drogenopfer in der Stunde seiner Not gern Zuflucht gewährte, aber daß er nicht daran dachte, ihm eine Alternative zu dem zu bieten, was sich das Sozialamt auch immer an Merkwürdigkeiten für ein Zuhause einfallen ließ.
    Aber die Trägheit hielt ihn im Bett.
    Kevin tauchte wie ein Sonnenstrahl aus dem Badezimmer auf, während er noch sein Haar mit einem Handtuch trocknete.
    «Hast du die Zahnbürste gefunden?»
    «Weischnich», nuschelte Kevin. «Aber sie war neu, noch eingepackt.»
    «So soll’s sein.»
    «Warum sollte ich eine neue Zahnbürste benutzen? Kostet nur Geld.»
    «Nun ja, welche hast du genommen?»
    «Deine.»
    «Oh.»
    «Wir kennen uns doch in unseren Mündern ganz gut aus. Was macht’s also?»
    Bruce dachte einen Augenblick darüber nach. «Hauptsache, mein Zahnarzt erfährt es nicht.»
    Kevin warf sich das Handtuch über die Schulter und grinste.
    «Ich verrat’s nicht.» Er wandte sich zum Sekretär, einem schweren viktorianischen Stück mit reichem Schnitzwerk. Oben auf dem Sekretär lag ein Paar von Bruces silberverzierten Militär‐Haarbürsten. Kevin nahm eine davon auf und begann, sein wuseliges Haar zu bürsten. Aber nach ein paar Strichen hielt er inne und untersuchte die silberne Oberseite der Bürste. Dann sah er Bruce scharf an. Langsam las er die verschlungene Schrift des Monogramms.
    «B. McI. A.» Er sah Bruce wieder an. «Wofür steht das?»
    Bruce seufzte. «Bruce McIntosh Andrews.»
    «Du heißt nicht Sam?»
    «Nein.»
    «Den benutzt du nur, hä? In der Hafenstraße?»
    «Ja. In der Nacht, als ich dich traf.»
    «Weil ich nur ‘n Stricher war, hä?» Bruce zuckte mit den Achseln.
    «Ja. ‘ne schnelle Nummer für die Nacht.» Wieder warf er Bruce einen scharfen Blick zu. «Nur, daß es das nicht war, oder?»
    «Nein. Mehr.»
    «Ich weiß.» Er betrachtete sich wieder das Silber in seiner Hand und hielt es schräg, um das Sonnenlicht einzufangen. «Dein Name ist Bruce Mclntosh Andrews...»
    «... der Dritte.»
    «Steht hier nicht, ‹der Dritte›.»
    «Die Bürsten gehörten meinem Großvater.»
    «Deinem Großvater!»
    «Richtig.»
    Kevin legte die Bürste fast ehrfurchtsvoll auf den Sekretär zurück. «Wow...» Dann runzelte er die Stirn. «Wird es einen Bruce Mclntosh Andrews den Vierten geben?»
    Bruce schüttelte seinen Kopf. «Sieht nicht danach aus. Ich glaube, ich bin der Letzte der Linie.»
    Kevin runzelte weiterhin die Stirn und stand einen Augenblick bewegungslos da. Dann hellte sich sein Gesicht auf, und er sah Bruce direkt in die Augen. Langsam ging er auf das Bett zu und legte sich neben ihn.
    Es war Mittag, bevor sie es schafften, aus dem Bett zu kommen. Bruce, der sich für gewöhnlich ob seiner Ausdauer

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