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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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kannte seinen Nachnamen nicht. Er wußte nicht, wo er wohnte oder zur Schule ging, wer seine Eltern waren oder ob er überhaupt welche hatte. Nichts. Nichts außer dem Körper neben sich und einer Geschichte über von Drogen verursachte Schrecknisse.
    Es war Sonnabend. Bruce war dankbar dafür. Kein Krankfeiern für Kevin an diesem Morgen. Aber was würden seine Eltern davon halten, daß er die ganze Nacht weggewesen war? Oder wußten sie Bescheid? Oder kümmerten sie sich überhaupt darum? Vielleicht waren sie abgestumpft gegenüber dem Leben eines Strichers.
    Bruce dachte wieder an seine Situation. Der Junge neben ihm war kein Stricher im eigentlichen Sinn wie Jerry, sein letzter und nicht vermißter Besucher von der Hafenstraße, der von den Geheimnissen um seine eigene Identität zerfressen und verbittert war.
    Bruce war erfahren genug, um zu merken, daß Kevin ein schwuler Junge auf der Suche war. Das Problem war nicht das Schwulsein, sondern die Suche, und das furchtbare Erlebnis auf dem Friedhof schien lediglich die Heftigkeit der Suche zu verstärken, ihn unablässig voranzutreiben, quer durch die Stadt, einem vagen Traum auf der Spur, der so lebendig gewesen sein mußte wie sein eigener.
    Dieser Gedanke war Bruce nicht unbedingt nur angenehm. Er liebte es, allein in seinen eigenen Träumen zu schwelgen. Er war sich nicht sicher, ob er sie mit jemandem teilen wollte... und plötzlich verwirklicht sehen wollte. Ihrer Natur gemäß sollte man Träume davor bewahren, in einer ernüchternden Wirklichkeit zu enden. Aber was für eine niederschmetternde Wirklichkeit könnte der zarte Körper neben ihm schon in seine Traumwelt hineinwerfen?
    War es das, wovor er Angst hatte... daß jemand in seine nur ihm gehörende Welt einbrach? Würde er den Rest seines Lebens unter dem selbstgewählten Gefängnis einer Glasglocke verbringen? Er konnte förmlich hören, was Amory dazu zu sagen hätte! Der eiserne Junggeselle, verschlossen hinter Glas und schließlich geschrumpelt zu einem schmächtigen, saftlosen Etwas, durchscheinend wie ein alternder anglikanischer Pfarrer.
    Verdammter Amory! Was ging ihn das an? Was für ein Recht hatte er, immer wieder davon rumzuplappern, daß Bruce «jemanden braucht»? Sollte er doch zum Greystone Park gehen, versuchen, jemanden zu finden und im Verlauf der Dinge dann zusammengeschlagen werden. Bruce würde sein eigenes Leben führen, und wenn er dann und wann einen Stricher brauchte, wäre das sein eigenes Risiko. Ein schmerzender Kiefer und ein fehlender Briefbeschwerer waren lediglich der Verlust aus einer Fifty‐fifty Wette, ein Verlust, den man sich leisten konnte und vergaß.
    Aber... konnte er sich das leisten, was neben ihm lag? Wie waren die Wettregeln in diesem neuen Spiel? Wie standen die Chancen? Und stand diese Wette fifty‐fifty?
    Er schreckte zurück bei diesem Gedanken. Warum ließ er sich auf so was Unausgegorenes ein? Der Junge hatte kaum gewußt, wo er in der Nacht gelandet war, und würde mittags wahrscheinlich wieder verschwunden sein. Und da saß er nun, kalkulierte wie ein Croupier in Las Vegas alle möglichen hypothetischen Wahrscheinlichkeiten, die eben doch wahrscheinlich niemals eintreffen würden. Ihm fiel de Montherlants Postulat ein: Les garçons, changeant comme la mer. Wie könnte er überhaupt die Beständigkeit für einen Tag lang voraussetzen? Besser war es, sich an der gelegentlichen Ruhe eines sommerlichen Meeres zu erfreuen.
    Die altertümliche Uhr im Wohnzimmer schlug acht. Kevin rührte sich. Leise erhob sich Bruce aus dem Bett und ging ins Bad. Oftmals bestanden seine morgendlichen Waschungen in einem Reinigungsritual, mit dem er die Schuldgefühle und Befleckungen der vergangenen Nacht hinwegwusch und die Wohlanständigkeit des Tages wieder herstellte. Aber an diesem Morgen fühlte er sich jungfräulich rein. Keine Ausschweifung hatte ihn besudelt. Keine Leidenschaft hatte einen Rest von Schweiß hinterlassen. Er empfand lediglich die Erinnerung an wohltuende Wärme.
     
    Als er ins Schlafzimmer zurückkam, lag Kevin im Bett – hellwach, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Sein Blick war aufmerksam, sogar vielleicht ein wenig verängstigt. Aber das durch die Vorhänge gedämpfte Tageslicht schien seinen Kopf und die Schultern in einen sanften Glanz erstrahlen zu lassen. Bruce erschien er schöner als je zuvor.
    «Wo warst du?» fragte Kevin.
    «Nur auf dem Klo.»
    «Ich dachte, du wärst weggegangen oder so. Ich dachte, du hättest mich

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